Auf dem Weg zum Veranstaltungsort habe ich spontan einen Schlenker eingebaut und einen Gang über die Museumsinsel gemacht – zur Strafe weiß ich nun nicht, wie die Zukunft der Wikipedia aussieht.
Das Thema heißt jetzt “Darf ich das bloggen? Was ist erlaubt, was nicht? Was tun bei Abmahnungen?” und lockt sehr viele Konferenzteilnehmer an.
Auf dem Podium (von links): Udo Vetter (Lawblog), Laura Dierking (Moderation), Matthias Spielkamp (iRights.info).
Udo Vetter gibt zu: Abmahnungen sind gruselig – seine eigenen würden da natürlich eine Ausnahme bilden. Aber: Abmahnungen seien noch kein Urteil darüber, ob das, was der Abmahner verlangt, auch rechtens ist. Ein Schreiben vom Anwalt heiße noch lange nicht, dass das Verlangte später vor Gericht Bestand hat. Wichtig: Wer eine Abmahnung bekommt, sollte sie sorgfältig lesen und auf keinen Fall in die Schublade legen. Man müsse sich damit auseinandersetzen, auch, wenn man ohne juristischen Background die meisten Abmahnungen nicht versteht – es gehe ja um teilweise recht komplexe urheberrechtliche, markenrechtliche oder persönlichkeitsrechtliche Belange. “Man wird nicht drumherum kommen, sich juristisch beraten zu lassen.”
Matthias Spielkamp glaubt: Viele machen sich zu wenig Gedanken darüber, was Publizieren im Netz bedeutet – nach dem Motto: “Das ist doch mein Blog, das schreib ich doch für meine Freunde”. Dass es sich nicht um eine Collage fürs Kinderzimmer handele oder um eine Diaschau für die Familie, sondern um “Publizieren mit den entsprechenden rechtlichen Konsequenzen”, werde oft nicht verstanden. Er selbst sein ein “großer Fan von freien Lizenzen”, ärgere sich aber, wenn andere seine Inhalte zum Geldverdienen verwenden würden: “Dann bin ich auch nicht mehr unbedingt guter Laune.” Zu oft würden sich die Leute überhaupt keine Gedanken um das Urheberrecht machen.
Erklär-Bär:
Meinungsäußerung: kann nicht wahr oder unwahr sein – hier gilt der weitreichende Schutz der Meinungsfreiheit, beschränkt durch den Tatbestand der Beleidigung.
Tatsachenbehauptung: ist entweder zutreffend oder falsch – unwahre oder nicht erweislich wahre Behauptungen verletzten die Rechte der Betroffenen
Udo Vetter empfiehlt: Sagt lieber eure Meinung und schreibt weniger Tatsachen. Schreibt “Cola schmeckt scheiße”, aber nicht “McDonalds setzt seinen Speisen süchtigmachende Zusatzstoffe zu”.
Erklär-Bär:
Impressumspflicht: Nach alter Rechtlage war davon jedes Internetangebot betroffen, Anbieter von redaktionellen-journalistischen Inhalten mussten zusätzlich einen Verantwortlichen benennen. Mit dem neuen Mediengesetz hat sich daran im Wesentlichen nichts geändert, Impressumspflicht besteht für alle Websites, außer sie dienen erkennbar nur privaten, persönlichen Zwecken. Geschäftsmäßige Seiten (Bannerwerbung!) brauchen zusätzlich eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer.
Ein Verstoß gegen das Impressumspflicht sei nicht abmahnfähig, ergänzt Vetter. Vorgeschrieben sei es gleichwohl: “Ich will hier nicht zum Rechtsbruch aufrufen!”
Für das, was man selber schreibt, haftet man uneingeschränkt. Aber was ist mit den Kommentaren? Vetters Empfehlung: Kommentare unbedingt lesen! Er verweist auf den Fall eines vom Blogger verlassenen Blogs, das im Netz blieb – Kommentatoren hatten es zum Chatraum umfunktioniert. Also: Kommentare im Auge behalten. Und: Im Falle eines Rechtstreits nicht sofort zugeben, dass man Kenntnis von dem fraglichen Kommentar hatte. Ein Blogger haftet nicht per se für die Kommentare. Verantwortlich ist erstmal der Kommentarautor. Jüngste Rechtsprechung: Man ist verpflichtet, einzugreifen, wenn jemand, der seine Rechte beeinträchtigt fühlt, sich darüber beschwert. Vetter glaubt allerdings, das dies für Kommentare, die offensichtlich rechtswidrig sind, nicht zu halten sei. Kommentar-Moderation kann Vetter aus rechtlicher Sicht nicht empfehlen – denn damit sei beweiskräftig, dass der Bloginhaber alle veröffentlichten Kommentare zuvor gelesen hat.
Frage aus dem Publikum: Muss man allen Links in Kommentaren folgen?
Udo Vetter: Immer mehr Leute versuchen, hier eine “Mitstörerhaftung” zu konstruieren. Vetter findet das absurd – Links seien das Elixier des Internet. Er würe sich wünschen, dass Blogger sich zusammentun und das ein für allemal gerichtlich durchkämpfen. Seine Prognose: Das kann gelingen. Man dürfe übrigens durchaus auch zu “unseriösen” Angeboten verlinken. Entscheidend aus Vetters Sicht ist das, was man selbst in seinem Blog zu diesem verlinkten Inhalt schreibt.
Vetter warnt vor dem Veröffentlichen fremder Fotos, ohne die ausdrückliche Genehmigung des Urhebers eingeholt zu haben. Die Nennung des Urhebers würde die zu zahlende Summe möglicherweise verringern, reiche aber keinesfalls, um dem Urheberrecht Genüge zu tun.
Matthias Spielkamp: “Ich gehe nicht von diesem Podium, ohne auf Creative Commons hingewiesen zu haben”: Inzwischen gebe es weltweit Tausende von Fotografen, Textern, Künstlern, die ihre Werke unter eine CC-Lizenz stellen und so die Verwertung für nicht-kommerzielle Zwecke erlauben. “Überlegt euch, ob ihr nicht auch eure eigenen Inhalte unter eine solche Lizenz stellen wollt.”
Frage aus dem Publikum: Gibt es eine Fausregel für Mashups? Was ist da zulässig?
Laura Dierking: Verwendet man ein urheberrechtlich geschütztes Werk, um daraus ein eigenes zu erstellen, ist das rechtlich unbedenklich, wenn – und jetzt kommt’s – das Ursprungswerk “verblasst”. Die relevante Frage laute also: Erkennt man das ursprüngliche Werk wieder oder ist es so sehr verändert, dass es nicht mehr auf den ersten Blick erkennbar ist?
Vetter weist noch auf die dreijährige Verjährungsfrist hin – die allerdings gelte erst ab dem Zeitpunkt, an dem der Geschädigte von der Rechtsverletzung Kenntnis erhält.
Update: Die Diskussion als Podcast bei JCast, dem Jura-Podcast.
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