Ist das nur ein Gefühl, oder nimmt das Leben tatsächlich mit jedem neuen Jahr mehr an Tempo auf? Wie auch immer: Auch dieses Jahr rast dahin – es war doch gerade erst Neujahr, und schon ist der Februar rum und damit ein lange herbeigesehnter Aufenthalt am Meer bereits wieder vorbei.
Wie in den vergangenen beiden Jahren durfte ich auch 2019 im Kreise von Freundinnen am Abend des 21. Februar auf einer Nordsee-Insel am Biike-Feuer stehen: Nach Föhr 2017 und Sylt 2018 hat es unsere kleine Reisegruppe diesmal nach Amrum verschlagen. Und was soll ich sagen: Der weite Weg – sechs Stunden Bahnreise plus zwei Stunden Fährüberfahrt – hat sich wahrlich gelohnt. Amrum, wo ich vor ungefähr 25 Jahren mal in den Dünen gezeltet und ob all des Sandes im Essen und zwischen den Zähnen damals reichlich geflucht hatte, hat sich diesmal in mein Herz geschlichen. Dabei wohnt dort doch schon so lange die Nachbarinsel Föhr!
Am Ende dieser Woche sind wir insgesamt stramme 90 Kilometer gewandert und hatten auf dem Kniepsand eine Begegnung mit einem Seehund (über den wir die Schutzstation Wattenmeer sogleich brav informierten – aber man gab uns gleich Entwarnung, dies sei wie üblich ein junges Tier, das sich am Strand ausruhe, während die Mutter im Meer jage). Wir haben einen Gottesdienst in der Inselkirche St. Clemens in Nebel besucht, wo die feministisch predigende Pastorin einen tiefen Eindruck bei uns hinterließ, wir futterten uns ganz weltlich durch Friesentorten und Friesenwaffeln, reihten uns dafür auch mehrfach gerne und geduldig in der Torten-Schlange im Café Schult in Norddorf ein (die Amrumer sprechen in diesem Zusammenhang gerne von Schultgefühlen), schlürften Pharisäer und Tee, den wir von einer singenden Wirtin serviert bekamen, sangen selbst aus vollen Kehlen auf dem abendlichen Fußweg von der berühmten Kneipe “Blaue Maus” zu unserer Ferienunterkunft in Wittdün, standen Glühwein-schlürfend an einem wunderbar untouristischen und musikfreien Biike-Feuer. Wir spielten, kochten, babbelten und lachten wie lange nicht mehr, und in einer sternenklaren Nacht, als wir nach dem Abschiedsessen im Likedeeler über einen stockdunklen Deich zurück nach Wittdün stolperten, konnten wir nicht anders: Alle vier blieben wir wie angewurzelt in der Kälte stehen und schauten staunend nach oben in einen üppigen Sternenhimmel, wie man ihn wohl auf dem Meer oder auf einer Insel zu sehen bekommt.
Drei Mal Biike auf drei Nordsee-Inseln in drei Jahren – mein Fazit: Amrum, Föhr und Sylt sind allesamt lohnende Ziele, wenn die Friesen am Abend des 21. Februar die großen Holzhaufen anzünden – hier habe ich darüber geschrieben, was man über diese Tradition weiß. In Wyk auf Föhr brennt die Biike auf einer großen Wiese in der Nähe des Flugplatzes, das Fest wird eher bodenständig begangen, und es gibt Manhattan, den Föhrer Haus- und Hof-Cocktail, den ausgewanderte Insulaner bei der Rückkehr mitbrachten. In List auf Sylt feierten wir Biike direkt am Strand, mit Friesenspruch und einer Kommunalpolitikeransprache, insgesamt ein wenig überkandidelt und mit Musik aus der Dose, die aber kaum mehr stört, hat man erst mal den zweiten Glühwein getrunken. Der wurde auch auf Amrum ausgeschenkt, wo die Biike ebenfalls in allen Inseldörfern brennt – wir entschieden uns für das Feuer am Tonnenhafen von Wittdün an der Wattseite, weil es fußläufig zu unserer Unterkunft lag.
Die Biike auf Amrum erschien uns am entspanntesten, eher untouristisch, mit vielen Einheimischen, die sich sichtlich freuten, den Winter bald abschütteln zu können. Den traditionellen Grünkohl im Anschluss ließen wir überall aus, die Lokale auf den Inseln sind proppevoll am Biike-Abend. Wir enwickelten über die drei Jahre unsere eigene kulinarische Biike-Tradition mit Kartoffelsalat und Würstchen sowie Suppe für die Veganerinnen.
Biike heißt für mich: zwei Stunden gedankenversunken aufs Feuer schauen, Ängste und Sorgen gleich mit in die Glut werfen und am Februar-Abendhimmel in Rauch aufgehen sehen. Da ist es am Ende egal, wo das Biike-Feuer brennt. Unabhängig davon ist Amrum für mich die perfekte Mischung aus Föhr und Sylt – mit der wohltuenden Normalität und Bodenständigkeit der einen und der grandiosen Dünenlandschaft der anderen Insel. Auch wenn Föhr für mich immer ein besonderer Ort bleiben wird: #Amrumliebe, ich komme wieder!