An Norwegens Küste entlang: Unterwegs mit Hurtigruten von Bergen nach Kirkenes

Im November 2017 habe ich mir einen Traum erfüllt: Eine Seereise entlang der Küste Norwegens mit Hurtigruten.

Die legendäre Reederei verbindet seit dem Ende des 19. Jahrhunderts Orte an der Atlantikküste des Landes. Abertausende von Inseln, Schären, Halbinseln und teils tief ins Land schneidende Fjorde fransen die norwegische Küste so aus, dass sie – führe man ihre Wasserlinie komplett ab – alles in allem auf gut 25.000 Kilometer Länge kommt. Bedingt durch diese Geografie ist der Landweg meist mit enormem Zeitaufwand verbunden – und im Winter sind viele Straßen oft gar nicht passierbar. So dienen die Hurtigruten-Schiffe, die von Anfang an auch Passagiere an Bord nahmen, den Norwegern seit den 1890er Jahren nicht nur als Transportmittel für Post und Frachtgut, sondern längst auch als zuverlässige und schnelle (hurtige) Fährverbindung. Die mehr als 2600 Kilometer lange Hurtigruten-Strecke von Bergen im Süden bis nach Kirkenes im äußersten Nordosten nahe der russischen Grenze gilt im Land als “Riksvei Nummer 1”.

Der Screenshot von Marine Traffic zeigt die Strecke unseres Schiffes.

Auf dem Reichsweg Nummer 1 werden wir nun also elf Tage lang unterwegs sein: Fünfeinhalb Tage nach Norden, fünfeinhalb Tage zurück Richtung Süden. Wendepunkt ist Kirkenes, ein Städtchen ganz im Nordosten Norwegens mit einer dramatischen Geschichte. Unterwegs werden wir  mehr als 30 Häfen anlaufen, die allermeisten zweimal, auf der nordgehenden wie auf der südgehenden Route.

Der Fahrplan ist so gestrickt, dass viele Orte und Landschaften auf dem Hinweg im Tageslicht und auf dem Rückweg im Dunkeln passiert werden – oder umgekehrt. Meist fahren wir durch ruhiges Gewässer, immer wieder aber auch ungeschützt durch offene See, mitunter bei stürmischer Windstärke 8.

Wir werden Städte wie Ålesund, Trondheim, Tromsø und Hammerfest kennenlernen, den Nördlichen Polarkreis überqueren, durch schmale Fjorde mit steil aufragenden Felswänden gleiten, am Nordkap stehen, eine Schlittenfahrt mit Huskys unternehmen, die traditionelle Kultur der Sami kennenlernen, des Nachts norwegischen Volksweisen in der Eismeer-Kathedrale lauschen – und unterwegs den Himmel überm Polarmeer nach Nordlichtern absuchen.

Und selbst an den abgelegensten Ufern werden wir die typischen rot angestrichene Häuschen sehen. Sie zeugen davon, dass die Orte, die unsereins für das Ende der Welt hält, für andere deren Anfang ist.

Mein mehrteiliger Reisebericht beginnt mit …

Bergen: Wir gehen an Bord!

Von Oslo aus bringt uns ein Flieger in einer Dreiviertelstunde über die Berge in Norwegens zweitgrößte Stadt Bergen. Der Flughafen dort ist übersichtlich, das Gepäck schnell in Empfang genommen, vor dem Flughafengebäude hat Hurtigruten seine eigene Bushaltestelle – alles sehr unkompliziert also. Nach 35 Minuten Fahrtzeit sind wir am Hurtigrutenterminal in Bergen. Wo es regnet. Denn in Bergen regnet es im Schnitt an 225 Tagen im Jahr, also quasi immer. Noch denken wir uns nichts dabei.

Bryggen, die alten Kontorhäuser am Hafen von Bergen, sind Unesco-Weltkulturerbe.

Das Checkin im Erdgeschoss des Terminals verläuft, wie man es vom Fliegen kennt: Ausweis zeigen, Koffer auf ein Band wuchten, wo sie ihren eigenen Weg aufs Schiff nehmen und vor unserer Kabinentür auf uns warten werden. Unser Weg führt in den ersten Stock zur Sicherheitseinweisung. Dort macht man uns mit dem Notsignal vertraut und erklärt uns geduldig und mit Unterstützung eines Videofilms, wo man sich im Notfall einzufinden hat, dass man dort zuerst in einen Thermoanzug (Polarmeer!) und dann in die Rettungsweste schlüpft, bevor man in die Rettungsboote klettert. Solchermaßen für den Fall der Fälle präpariert, dürfen wir endlich an Bord.

Das Schiff: MS Spitsbergen

Für die MS Spitsbergen hatte ich mich entschieden, weil es eines der jüngsten und mit rund 240 Betten eines der kleineren Schiffe der Flotte ist. Längst schippern riesige Kreuzfahrer mit dem weißen Hurtigruten-Schriftzug die Küste auf und ab, das größte der elf Schiffe hat Platz für gut 1000 (!) Passagiere. Auf ein schwimmendes Hotel in dieser Größenordnung hatte ich partout keine Lust. Und auch nicht auf das übliche Kreuzfahrt-Schickimicki. Bei Hurtigruten wird man damit verschont: Kein Captain’s Diner, keine Torten mit brennenden Wunderkerzen und kein Zwang, sich zum Abendessen aufzubretzeln. Auf den Postschiffen laufen die Passagiere von früh bis spät im zweckmäßigen Fleece herum.  Die MS Spitsbergen ist darüber hinaus eines von wenigen Hurtigruten-Schiffen, die keine Fahrzeuge transportieren. Bestimmt gut für die Nachtruhe, dachte ich mir.

Die MS Spitsbergen hat Platz für rund 335 Passagiere. Eine davon geht hier an Bord.

Bis gegen 18 Uhr die Kabinen bezugsbereit sind, erkunden wir das Schiff. Deck 5 beherbergt die meisten der Gemeinschaftsräume. Cafeteria, eine Bar mit Lounge, Rezeption mit Shop und das Restaurant. Auf Deck 6, wo im hinteren Teil auch unsere Kabine liegt, finden wir vorne die “Explorer Lounge”: Wie die Bar ein Stock tiefer ist auch sie mit tiefen Drehsesseln ausgestattet, (in die man sich nicht setzen sollte, wenn man zu Seekrankheit neigt), dazu kleine Sofas und Tische. Das Besondere hier sind die Panoramafenster, die einen 180-Grad-Blick in Fahrtrichtung erlauben.

Die MS Spitsbergen am Hafen von Trondheim.MS Spitsbergen

Rezeption und Shop

Cafeteria

Restaurant

Kabine 630

Jacuzzi auf Deck 7

Auf Deck 7 entdecken wir einen Fitnessraum, eine Sauna und, im Freien und mit Blick aufs Meer, zwei Jacuzzis, aus denen das warme Wasser dekadent in die kalte Abendluft dampft. Darüber zieht sich das oberste Deck 8 über die gesamte Länge des Schiffes. Der hintere Teil ist mit einer kleinen Theke ausgestattet – hier finden im Laufe der Reise ein paar besondere Verkostungen regionaler Spezialitäten im Freien statt, außerdem das Event, vor dem wir etwas Bammel haben: die Polarkreistaufe.

Der Bord-Ausweis

Beim Checkin hat man uns einen Umschlag in die Hand gedrückt, der unsere Basis-Informationen enthält (Kabinennummer, Tischreservierung und Essenszeiten im Bordrestaurant, Gutscheine für unsere vorgebuchten Landausflüge, die Zugangsdaten zum Wlan) – und das wichtigste Utensil an Bord: Die “Cruise-Card”. Sie ist so etwas wie der Bord-Ausweis: Ohne sie kommt man nicht runter und auch nicht wieder rauf aufs Schiff. Bei jedem Verlassen und Betreten wird die Karte gescannt. So weiß die Crew zu jeder Zeit, wer sich an Bord aufhält und welche Passagiere noch nicht vom Landgang zurückgekehrt sind. Nicht, dass das Schiff auf verspätete Ausflügler warten würde: Hurtigruten ist bekannt für seine Pünktlichkeit, der Fahrplan wird so präzise eingehalten, wie Windstärke und Seegang es erlauben. Wer zur Ablegezeit nicht vom Landgang zurück ist, muss selbst sehen, wie er sein Schiff am nächsten Hafen wieder erreicht.

Die Cruise Card gewährt außerdem den Zutritt zum Restaurant, dient als Schlüsselkarte zur Kabine, öffnet den Fitnessraum und die Sauna. Lässt man sie mit einer Kreditkarte verknüpfen, kann man sie als bequemes Zahlungsmittel nutzen. Das ist ungemein praktisch – und deshalb auch ungemein tückisch. Denn den genauen Überblick darüber, man da alles noch zusätzlich an Bord ausgibt, liefert erst die Abrechnung am Ende der Reise …

Verständigung und Kommunikation

Für die Kommunikation mit den Passagieren ist eine Reiseleitung an Bord. Unser Reiseleiter heißt Haakon, er hat uns an der Rezeption auf Deck 5 empfangen und unsere ersten Fragen beantwortet – auf deutsch. Bei Hurtigruten ist die Reiseleitung stets (mindestens) dreisprachig. Nahezu alle Durchsagen werden auf norwegisch gemacht und auf englisch und deutsch wiederholt. Im Restaurant und in den anderen Service-Bereichen kann man sich (wie überall in Norwegen) ohne Probleme auf englisch verständigen.

Die Durchsagen erreichen alle Passagiere nicht nur in den Gemeinschaftsräumen, sondern auch in den Kabinen über das Telefon. Haakon wird sich auf unserer Reise etliche Male täglich über den Bordlautsprecher melden, uns auf Sehenswürdigkeiten, besondere Orte, Landschaften oder auch Schiffsbegegnungen auf der Strecke aufmerksam machen, für jeden Hafen das Ein- und Auslaufen durchsagen (mit Ausnahme der nächtlichen Hafenstopps), Hinweise zu den Treffpunkten und -Zeiten für Ausflüge geben und uns immer wieder auch zwischen den Mahlzeiten zum Essen zu verführen versuchen. :)

Und so klingt das dann:

 

Die Kabine

Unsere Kabine, die auf Deck 6 an der Steuerbordseite ziemlich weit hinten liegt, hat einen Balkon! Dazu eine Sitzecke, ein Bad mit Fußbodenheizung (auch im Duschbereich, wie geil ist das denn?!) und einen begehbaren Kleiderschrank. Die Landschaft zieht an zwei großen Fenster vorbei. Im Bett liegend können wir über die eigenen Füße hinweg nach draußen sehen.

Balkon-Platz auf der MS Spitsbergen

Auf dem Schreibtisch findet sich neben den Telefon ein Wasserkocher und eine Kaffeemaschine (die mit den bösen Kapseln). Im Schrank unterm Fernseher versteckt sich eine Minibar. Die Preisliste liegt auf dem Schreibtisch und erinnert uns schmerzhaft daran, dass wir in Norwegen sind, einem der teuersten Länder der Welt.

Verpflegung

Der Küche auf den Hurtigruten-Schiffen eilt ein hervorragender Ruf voraus. Nach einer Postschiffreise auf der kompletten Strecke, so heißt es, verlässt man das Schiff gut und gerne fünf Kilo schwerer (und damit sind nicht die Mitbringsel aus dem Bordshop gemeint). Bereits morgens gibt es warmes und kaltes Frühstücksbuffet, das am Mittag noch um einige warme Speisen ergänzt wird.

Das Angebot ist so reichhaltig, dass es eine Weile dauert, bis man das Buffet ganz umrundet hat. Für jeden Geschmack ist was dabei, vor allem natürlich viel Fisch und Meeresfrüchte in vielerlei Variationen wie Lachs, Heilbutt, Makrele, Hering, Kabeljau, Dornhai, Garnelen, (Königs-)Krabben, Muscheln.  Abends wird ein dreigängiges Menü serviert, wobei die Portionen übersichtlich und für meinen Geschmack genau richtig bemessen sind: Am Ende ist man satt, aber nicht voll. Die Menüs sind auf die jeweilige Tagesstrecke abgestimmt, mit lokalen Spezialitäten aus der Gegend, die man gerade durchfährt.

Hygiene

Ein wichtiges Thema auf den Hurtigruten-Schiffen. Deshalb hängt alle Naslang ein Spender mit Desinfektionsmittel, und Schilder in den Kabinen beschwören den Gast, es mit dem Händewaschen bitte bitte sehr genau zu nehmen.

Einer von etlichen Seifenspendern an Bord.

Allzu großes Vertrauen hat man in die Passagiere diesbezüglich scheinbar nicht, denn zum Abendessen wird man am Eingang des Restaurants von einem Crewmitglied mit Seifenspender in der Hand empfangen und zwangsdesinfiziert.

Ich finde ja, das sollte man in Restaurants generell einführen. ;)

Nordlichter

Von Oktober bis März ist die Chance, Nordlichter zu sehen, am größten – weil die Nächte so lang sind (und nördlich des Polarkreises ja zwei Monate lang gar nicht enden). So gibt Hurtigruten für diese Reisezeit sogar ein “Nordlicht-Versprechen”: Wird während der Postschiffreise nicht wenigstens einmal die Sichtung der Aurea Borealis ausgerufen, so bekommt man eine zweite Seereise (mit abgespeckten Leistungen) im Folgejahr geschenkt. Der erste Griff in der Kabine sollte daher zum Telefon gehen: Im Display gibt es die Möglichkeit, den Nordlicht-Alarm zu aktivieren. Sichtet die Brücke Polarlicht am Himmel, wird man informiert – auch nachts. Ob das klappt? Wir sind gespannt.

Programm

Würden Hurtigruten unterwegs eine klassische Kreuzfahrt-Animation bieten, ich hätte diese Seereise nie gebucht. Das Angenehme auf den Postschiffen ist, dass hier alles ein wenig anders zugeht als auf dem “Traumschiff”. Allerdings hat man sich auch hier ein kleines Bordprogramm einfallen lassen.

In der Bar finden regelmäßig mehrsprachige Informationsveranstaltungen statt. So gibt Haakon täglich einen kurzen Überblick über die Häfen und Ausflüge der kommenden Tage, und seine Kollegin, die “Kultur- und Naturvermittlerin” Hege, hält Vorträge über die Geografie, Flora und Fauna Norwegens oder das Leben der Wikinger.

Herzstück des Reiseprogramms aber sind die Landausflüge. Jeden Tag kann man an einer oder gar mehreren Unternehmungen teilnehmen. Die Stadtführungen, Wanderungen, Besichtigungen, Ausritte, Wikingerfeste, Bootstouren können gehörig ins Geld gehen. Bucht man sie vorab, gibt es wenigstens ein bisschen Rabatt. Auch ist es offenbar zur Hochsaison im Sommer nicht leicht, an Bord noch Restplätze zu ergattern.

Trotz Vorbuchungen und Vollpension kommt an Bord einiges an Zusatzkosten zusammen. Alles mögliche wird extra berechnet: Das Glas Wein zum Abendessen, jeder Drink in der Bar (oder Minibar) oder auch die Getränke, die zu den Sonder-Verkostungen gereicht werden. Dann locken natürlich die zusätzlich angebotene Ausflüge, für die je nachdem zwischen 50 und 150 Euro fällig werden. Und jeden Tag passiert man mehrmals diesen Bordshop, der so geschickt am Durchgang zwischen Restaurant und Bar platziert ist … Dass man bei jedem Bezahlvorgang nur die Bordkarte zücken und auf einem Display unterschreiben muss, trägt ein übriges dazu bei, unterwegs viel mehr als geplant auszugeben.

Seegang

Über weite Strecken fahren die Hurtigruten-Schiffe durch Fjorde oder zwischen Küste und schützenden Inseln hindurch, wo man keinen nennenswerten Wellengang spürt. Aber es gibt auch ein paar Abschnitte, die das Schiff je nach Witterung ordentlich ins Schaukeln bringen. Ich habe vor allem den Vestfjord zwischen Festland und Lofoten in Erinnerung, Teile der Strecke zwischen Tromsø und Skervøy, Folda zwischen Trondheim und Rørvik und die nicht ungefährliche, weil seichte Hustadvika zwischen Kristiansund und Molde, wo wir auf dem Rückweg Windstärke 8 hatten und das Abendessen verschoben werden musste, weil die Küchencrew bei dem Geschaukel nicht kochen konnte. Auch weiter im Norden, wenn die Fahrt durch die Barentssee führt, kann es rau werden. Wir hatten hier Glück und relativ ruhige See in beide Richtungen. Für Besitzer empfindlicher Mägen liegen überall auf dem Schiff diese aparten Tüten aus, und im Shop werden Armbänder verkauft, die angeblich Seekrankheit mildern. Wenn gar nichts mehr geht: Ab in die Kabine. Im Liegen ist der Seegang deutlich besser zu ertragen.

Mit dem Schiff und den Gepflogenheiten haben wir uns nun vertraut gemacht, jetzt kann es losgehen. Pünktlich um 20 Uhr legt die MS Spitsbergen in Bergen ab. Lange sind wir noch wach, wollen nicht schlafen, nichts verpassen von der Landschaft, an der das Schiff vorbeigleitet. Selbst in der Dunkelheit wird unser Fenster zu einem Landschaftsgemälde mit einem Motiv, das mit jeder Minute neu gemalt wird: Die Umrisse der Berge zeichnen eine nicht enden wollende schwunghafte Linie an den Horizont, und auf von Wellen umspülten Felsen weisen Leuchtfeuer unserem Schiff den Weg. Irgendwann schlummern wir dann doch ein, dem ersten Tag der Seereise entgegen. Wir werden den spektakulär schönen Hjørundfjord passieren, den ersten Landgang ins kleine Selbstversorger-Dorf Urke am Norangsfjord unternehmen und schließlich das sehenswerte Jugendstil-Städtchen Ålesund erreichen. In Kürze mehr darüber im zweiten Teil meines Reiseberichts!

[su_box title=”Mit Hurtigruten in Norwegen unterwegs” box_color=”#626468″]Im November 2017 reisen wir an Bord der MS Spitsbergen mit der Postschiff-Reederei Hurtigruten von Bergen bis nach Kirkenes an der russischen Grenze und zurück. Hier berichte ich über diese Tour.

Teil 1: Bergen: Wir gehen an Bord
Teil 2: Hjørundfjord – Urke – Ålesund – Molde
Teil 3: Kristiansund – Trondheim – Rørvik
Teil 4: Polarkreis – Bodø – Lofoten
Teil 5: Vesterålen – Tromsø
Teil 6: Honningsvåg – Nordkapp – Kjøllefjord – Mehamn
Teil 7: Berlevåg – Kirkenes – Berlevåg
Teil 8: Barentssee – Hammerfest – Tromsø
Teil 9: Harstad – Risøyrenna – Stokmarknes – Svolvaer
Teil 10: Polarkreis II – Sandnessjøen – Brønnøysund – Rørvik
Teil 11: Über Trondheim zurück nach Bergen
[/su_box]

Wie Frankfurt gewählt hat

Die Bundestagswahl ist gelaufen, der Zorn über den (erwartbaren) Einzug von Rechtsextremen ins Parlament, darunter brandgefährliche Demagogen, legt sich hoffentlich nicht so schnell. Sich an Nazis im Bundestag zu gewöhnen, als sei ihre Existenz ein Naturgesetz, ist keine Option. Dabei ist mir ganz wurscht, in welcher Partei die Rassisten sitzen. Das Geschwafel vom Schließen offener rechten Flanken lässt hier nichts Gutes erwarten. Eine Hoffnung: Falls die Grünen sich auf ihren alten Kampfgeist und ursprüngliche Positionen besinnen, könnte ihnen in einer “Jamaika”-Koalition eine wichtige Rolle zukommen. Allein – mir fehlt der Glaube …

Frankfurts Sympathie für “Jamaika”

Wie steht eigentlich Frankfurt am Main zu “Jamaika”? Inspiriert von einer Visualisierung auf Spiegel Online (die ihrerseits inspiriert wurde von The Two Americas of 2016 der New York Times) habe ich für 376 Frankfurter Wahlbezirke ausgewertet, wie stark der gemeinsame Anteil an Zweitstimmen von CDU, Grünen und FDP jeweils ausfällt. Das Ergebnis ist eine Karte, erstellt mit Carto, die anschaulich macht, wo die Sympathie für die “Jamaika”-Parteien stärker ausgeprägt ist, und wo sie ohne Mehrheit dasteht.

Stärkste Parteien in den Wahlbezirken

Eine weitere Karten-Visualisierung – ebenfalls auf Wahlbezirk-Ebene – zeigt auf einen Blick, welche Partei stärkste Kraft geworden ist (und nach dem Klick auch alle Ergebnisse des Wahlbezirks). Die Karte macht auch ein interessantes Detail sichtbar: In drei Wahlbezirken gibt es ein Zweitstimmen-Patt. In den Wahlbezirken 58001 (Wahlgebäude Helene-Lange Schule) in Höchst und 41003 (Kerschensteinerschule) in Hausen kommen CDU und SPD übereinstimmend auf jeweils 24,3 Prozent. Kurios das Patt im Innenstadt-Wahlbezirk 7001 (Julius-Leber-Schule): Hier liegt die CDU mit 19,1 Prozent der Zweitstimmen gleichauf mit – den Linken!

Alle Wahlbezirke als Diagramm

Neben den 376 dargestellten Wahlbezirken hat Frankfurt 114 Briefwahlbezirke, die bei der Kartenvisualisierung außen vor bleiben. Um auch sie verfügbar zu machen, habe ich zusätzlich ein interaktives Diagramm mit Datawrapper umgesetzt, das die Ergebnisse filterbar nach allen 490 Wahlbezirken zeigt.

Die Schwächen von Datawrapper

Erststimmen und Zweitstimmen in 45 Frankfurter Stadtteilen sowie in zehn angrenzenden Wahlkreisen im Rhein-Main-Gebiet: In der Wahlnacht und an den Tagen danach waren mehr als 120 Ergebnis-Grafiken zu erstellen. Datawrapper zeigt bei so einer Massenproduktion eine schmerzhafte Schwäche: Es gibt keine Möglichkeit, Zahlenformate (z.B. eine Stelle nach dem Komma) oder Farben (etwa der Parteienbalken) voreinzustellen – jedenfalls nicht in dem von uns genutzten Tarif Single Flat, der 29 Euro im Monat kostet. Nervig – und zeitaufwändig.

Für die Präsention der Ergebnisse in den beiden Frankfurter Wahlkreisen habe ich erneut Genially genutzt:

 

[su_box title=”Tools und Quellen” box_color=”#626468″]Wahlbezirk-Geodaten auf offenedaten.frankfurt.de
Kartenvisualisierungstool Carto
Diagramm-Tool Datawrapper
Storytelling-Tool Genially
Wahlergebnisse vom Bürgeramt, Statistik und Wahlen
Tabellenkalkulation, hier: Open Office
Link: Bundestagswahl-Ergebnisse – Wie Frankfurt zu “Jamaika” steht
Link: Bundestagswahl in Frankfurt – So hat Ihre Nachbarschaft gewählt[/su_box]

Visuelles Storytelling mit Genially

Die Bundestagswahl bietet eine gute Gelegenheit, neue Tools im Redaktionsalltag zu testen. Für die Präsentation von Kandidatenporträts auf FR.de habe ich ein Werkzeug eingesetzt, das ich im Frühjahr auf der re:publica kennengelernt hatte: Genially.

Es dauert einen Moment, bis man sich reingefuchst hat, dann aber ist Genially ein mächtiges Tool, das visuelles Storytelling auf einem hohen gestalterischen Niveau möglich macht. Es bietet ein ganzes Füllhorn an Design-Elementen und Funktionalitäten, um Inhalte interaktiv, multimedial und non-linear zu erzählen – und dabei auch noch gut auszusehen. Texte, Fotos, Grafiken, animierte Gifs, Karten, Video, Audios lassen sich kombinieren, jedes Element animieren und/oder mit Interaktivität ausstatten.

Hier mein Praxisbeispiel: In der Zeitung und auf FR.de porträtieren wir vor der Bundestagswahl die Direktkandidat*innen für insgesamt zehn Wahlkreise in Frankfurt und den angrenzenden Regionen. Das kann man einfach in Textform machen, Bild dazu und fertig. Oder man kann es mit einem Tool wie Genially machen, das sieht dann beisielsweise so aus:

Hier, in meinem Blog, ist es für dieses Genially ein wenig zu beengt. Wählen Sie am besten den Vollbildmodus mit einem Klick unten rechts und blättern Sie sich mal durch die Seiten. Wir haben das Projekt hier prominent platziert und ihm reichlich Raum gegeben.

Vorgefertigte Layouts machen den Start leichter.

Vorgefertigte Layouts machen den Start leichter.

Als Ausgangspunkt kann eines der vorgefertigten Layouts dienen – oder aber man beginnt das eigene Projekt mit einer leeren Seite, “from the scratch”.

Im Prinzip besteht ein Genially aus aneinandergereihten Slides. In meinem Beispiel hat jeder Wahlkreis eine eigene Seite. Die Inhalte – Hintergrund, Texte, Bilder, Buttons – sind in Ebenen angeordnet, wie man sie beispielsweise aus Photoshop kennt.

Offen für externe Inhalte

Jedes Element lässt sich mit Interaktivität versehen. In diesem Fall öffnet sich bei einem Klick auf die Fotos und den Button jeweils ein neues Fenster, mit porträtierenden Texten und einer Balkengrafik. An dieser Stelle habe ich die Möglichkeit genutzt, externe Inhalte einzubinden: Die Grafiken sind mit Datawrapper erstellt und via iFrame im Genially eingebettet. Hier zeigt das Tool eine seiner großen Stärken: Es ist offen für viele Arten externer Inhalte, erleichtert das Einbetten aus gängigen Video- und Audioplattformen, Social-Kanälen, Diagramm-Tools, von Dateien aus Google Drive und Karten aus Google Maps und sogar von Artikeln etwa aus Wikipedia. Aber auch so ziemlich alles andere lässt sich via Code einbetten.

Die Embed-Funktion in Genially bietet viele Optionen.

Die Embed-Funktion in Genially bietet viele Optionen.

Mit Animationen war ich zurückhaltend, das Genially sollte kein Klickibunti werden. Ich habe mich im wesentlichen auf die kreisrunden Kandidatenfotos auf jedem Slide beschränkt: Sie zoomen etwas größer, wenn man mit der Maus darüberfährt – als Hinweis, dass der Klick darauf zu weiteren Inhalten führt.

Alle Wahlkreise sind über eine Karte auf dem Startbildschirm ansteuerbar. Zu diesem Zweck habe ich die Wahlkreise auf der Karte (erstellt mit Carto) mit transparenten Flächen versehen und mit den jeweiligen Wahlkreis-Slides verlinkt. Alternativ kann man, wie oben erwähnt, auch durch die Slides blättern.

Genially bietet die Möglichkeit, jedes Element oder auch die ganze Seite zu animieren.

Genially bietet die Möglichkeit, jedes Element oder auch die ganze Seite zu animieren.

Pro-Funktionen für Einzelprojekt freischalten

Alle wesentlichen Funktionalitäten sind in der kostenlosen Version von Genially verfügbar. Das fertige Projekt lässt sich auch ohne Premium-Account einbetten, verlinken, über Socials verbreiten oder per Mail versenden. Zahlende Kunden können das Projekt herunterladen und auf dem eigenen Server speichern, den “Genially”-Schriftzug verschwinden lassen oder haben Einblick in Zugriffszahlen. Die Premium-Modelle sind gestaffelt, mit monatlichen Abo-Preisen zwischen 10 für den Pro- bis zu 100 Euro für den Master-Account. Für gelegentliche Nutzer gibt es eine coole Alternative: Einige Pro-Funktionalitäten lassen sich für ein paar Euro auch für ein Einzelprojekt freischalten.

Kunst auf Schritt und Tritt: Die “Skulptur Projekte” 2017 in Münster

Alle zehn Jahre verwandelt Münster sich für etwa 100 Tage in ein großes Freiluft-Museum. Überall in der Stadt sind dann Kunstwerke zu finden: Skulpturen, Plastiken, Bilder, Bauwerke, Installationen bereichern Parks, Straßen, Plätze, Gebäude, Industrieflächen, sogar das Wasser im Hafen. “Skulptur Projekte” heißt das Ereignis, das 2017 zum fünften Mal stattfindet – und eines der schönsten Geschenke zum meinem Geburstag war die Reise zu diesem Event inklusive sachkundiger Führung mit einer Expertin.

Da lang zur Skulptur!

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Um die “Skulptur Projekte” auf die Beine zu stellen, lädt Münster Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt ein, sich in der Stadt umzuschauen, sich einen Standort auszusuchen und ein temporäres Kunstwerk für genau diesen Ort zu schaffen. 40 Künstler*innen sind der Einladung diesmal gefolgt, gut drei Dutzend Werke realisiert worden – die meisten unter freiem Himmel, an öffentlich zugänglichen Plätzen, denn die Kunst soll zu den Menschen kommen. Allerdings: In Münster haben die Leute nicht gerade darum gebeten. Weiterlesen →

Schreiben gegen das quälende Rätsel des Todes: Theodor Storm zum 200. Geburtstag

Trauer oder Glückseligkeit, Schuldgefühle oder Leidenschaft: Der Mann schreibt sich sein Leben lang alles von der Seele, was er empfindet. Lyrik für die Heimat, Liebesgedichte für die Ehefrau (und für die Geliebte), Märchen für seine insgesamt acht Kinder – und Novellen für sich selbst: Sie handeln oft von seinen größten Ängsten, von Vergänglichkeit, Verlust, Zerfall und Tod. Für den zu Depressionen neigenden Theodor Storm ist das Schreiben immer auch eine Selbsttherapie. Weiterlesen →