Koffer in Berlin

Berlin birgt ja viele Geheimnisse. Wie schaffen es die Berliner, ein- und dieselbe Mauer dreimal zu verkaufen? Wann geht Toni Mahoni zum Friseur? Und wie kann es angehen, dass ein niegelnagelneuer 700-Millionen-Euro-Bahnhof keine Schließfächer hat?

Berlin Hauptbahnhof - Lehrter BahnhofSo fand ich mich am Sonntagmorgen mit meinem Rollköfferchen, das ich zwecks unbehinderter Stadtbesichtigung für einige Stunden sicher zu verstauen gedachte, am Ende einer sehr langen Schlange, die sich aus einem sehr langen Flur herauswand, und musste von einem Bahnbediensteten hören, der Andrang sei unerwartet groß und das Personal leider viel zu knapp, und achso, wennse Ihr Jepäck ins Schließfach tun wollen, müssense eh zum Zoo oder zur Friedrichstraße. Hier nur Kännchen Gepäckaufbewahrung, also die persönliche Variante – anstehen, Koffer abgeben, später erneut anstehen, Koffer wieder abholen.

Ein letzter Blick auf die wartende Menschenmenge – und ich drehte mich auf dem Absatz um. Es würde weniger Zeit kosten, eine Station zurückzufahren und mein Gepäck am Bahnhof Friedrichstraße einzuschließen, als sich hier in Trippelschritten dem Kilometer entfernten Schalter zu nähern (und dort womöglich zu erfahren, dass nun leider alle Kapazitäten ausgeschöpft seien). Am Bahnhof Friedrichstraße – wo ich immer sofort an den Zwangsumtausch denken muss und daran, dass man die 25 Ostmark an dem einen Tag partout nicht losgeworden ist – herrschte tatsächlich eine im Vergleich zum Hauptbahnhof geradezu himmlische Ruhe. An den Schließfächern stand auch niemand an. Es war nämlich keines mehr frei.

Ooooch – gehen tut ja irgendwie alles. Auch mit Koffer stundenlang kreuz und quer durch Mitte latschen. Bei starkem Gegenwind und insgesamt nicht ganz so günstigem Wetter. Am Holocaust-Mahnmal als potenzielle Sprengstoffattentäterin unter besondere Beobachtung der Security geraten. Geht alles. Hey, einen Koffer in Berlin lassen – selbst das geht, ganz bestimmt. Aber wo nur, Marlene – wo?

Bitte von Bord gehen zu dürfen

Die Königin liegt im Dock – seit einigen Stunden bereits, und gegen 2 Uhr früh haben auch die Passagiere der MIR den Seelenverkäufer an den Landungsbrücken verlassen dürfen – etwa ein Drittel davon sturzbetrunken, ein weiteres Drittel schimpfend und fluchend. Wir gehören zum letzten Drittel, das weder blau noch sauer war, sondern eher amüsiert über das, was uns auf der MIR widerfahren ist.

Denn alle Widrigkeiten waren wert, was wir erleben durften: Irgendwo bei Blankenese tauchte sie plötzlich an unserer Backbordseite auf, die Queen Mary 2 – ein Schiff wie ein Haus. Riesengroß schwebte sie an uns vorbei, winzig klein ein paar Menschen an der Reeling, die uns winkten, bevor wir von dem Signalhorn Ihrer Hoheit fast von Deck geblasen wurden.

Ein kleiner Moment für die Seefahrt, gewiss – aber ein großer Augenblick für die Dame neben uns, die im August mit der Queen Mary 2 auf große Fahrt geht und uns aufs Bullauge genau skizzieren konnte, wo ihre Kabine liegen wird. Und unvergesslich auch für uns.

Der Königin hinterher

Vor gut anderthalb Stunden passierte uns die Queen Mary 2 – seither dümpelt unser Schiff, nachdem beim Wenden eine Schleppleine gerissen ist, im Schneckentempo hinterher Richtung Hamburger Hafen. Im Minutentakt überholen uns zu Diskotheken umfunktionierte Ausflugsschiffe, und wir haben das starke Gefühl, auf dem falschen Dampfer zu sein… :) Irgendwo dort vorne, wo die Lichter brennen und Jubel aufbrandet, empfängt Hamburg die QM 2. Und noch immer ist unklar, ob der Wasserstand reicht, damit sie heute Nacht noch eindocken kann.