Mit Bonn verbindet mich ein Teil meiner Familiengeschichte: Meine Mutter wuchs im Rheinland auf, und die Besuche bei meinen Großeltern und weiteren Verwandten führten uns jahrzehntelang immer wieder hierher zurück.
Beethoven wacht auf dem Bonner Münsterplatz: Der Komponist wurde 1770 am Rhein geboren. Bild: Monika Gemmer
Die Familie meiner Mutter war in dieser Gegend tief verwurzelt: Bei einem Ausflug in die Ahnenforschung fand ich Vorfahren bis weit ins 18. Jahrhundert zurück, die in den Dörfern rund um Bonn gelebt hatten (einige, wie Kessenich und Friesdorf, sind heute Bonner Stadtteile).
Mein Vater wiederum, der aus dem Ruhrgebiet stammt, studierte in Bonn und lernte dort meine Mutter kennen. Als 85-Jähriger nahm er uns Kinder kürzlich mit auf eine Reise in seine jungen Bonner Jahre, rüttelte an der verrosteten Tür in den Mauern der Stadtbefestigung, in deren Gewölbe als Student hauste, und zeigte uns lächelnd das Universitätsgebäude, jenen Ort, wo meine Mutter sich nach ihm erkundigt hatte, weil sie ihn nach einem ersten Treffen wiedersehen wollte. (Der Kommilitone, den sie damals auf dem Universitätsflur nach ihm fragte, wurde später mein Patenonkel.)
Mein einprägsamstes Bonn-Erlebnis hatte ich Anfang der 80er Jahre, als ich zusammen meiner Mutter und 150.000 anderen Menschen auf einer der großen Friedensdemonstrationen im Bonner Hofgarten war.
Und trotz alledem bin ich mit Bonn nie warm geworden. Es blieb die fremde Stadt, in die wir fuhren, um langweilige Verwandtschaftsbesuche zu machen – oder noch langweiligere Spaziergänge. Ganz dunkel erinnere ich meinen Opa, der die Rheinpromenade entlangmarschierte, plötzlich stehenblieb, wichtig gen Süden schaute, mit seinem Stock Richtung Regierungsviertel zeigte und mit erhabener Stimme etwas von “Hammerschmidt” sagte, von “Schürmann-Bau” und “Langem Eugen”. Mir war das so egal.
Der “Lange Eugen” beherbergte bis 1999 die Büros der Bundestagsabgeordneten. 2006 zogen Organisationen der Vereinten Nationen ein, heute es Zentrum des UN-Campus. Aus dem Schürmann-Bau, geplant und gebaut als Erweiterung und vom Hochwasser 1993 stark beschädigt, funkt heute die Deutsche Welle. Bild: Monika Gemmer
Gauck war dieser Tage noch ein letztes Mal da zu einem Schumann-Abend: Die Villa Hammerschmidt, bis 1994 erster, seither zweiter Wohn- und Amtssitz des Bundespräsidenten in Bonn. Seit 2011 kann man hier auch heiraten. Bild: Monika Gemmer
Das Alte Wasserwerk am Rheinufer, von 1986 bis 1992 Plenarsaal des Bundestages. Das Gebäude kann man für Veranstaltungen mieten. Dazwischen bietet die Stadt Führungen an. Bild: Monika Gemmer
Die Abgeordneten hockten im beengten Wasserwerk dicht aufeinander – die Debatten, so berichten einige Zeitzeugen, seien wohl gerade deshalb deshalb besonders friedlich verlaufen. Bild: Monika Gemmer
Dann, als war die Party vorbei und das Regierungsviertel verlassen war, tat Bonn mir irgendwie leid. Die ehemalige Hauptstadt wirkte auf mich aus der Zeit gefallen, morbide und an manchen Stellen fast ein bisschen apokalyptisch mit ihren verwaisten Gebäudekomplexen, den kaputten Jalousien in den Fenstern, den Hecken, die niemand mehr stutzt, dem Grün, das überall den Beton überwuchert. Während die Uhren im Rest des Landes weiter tickten, gab es in Bonn Ecken, wo die Zeit stehengeblieben schien.
Doch inzwischen hat Bonn bewiesen, dass die Stadt flexibel ist. Bonn kann sich trennen! Oder, wie die Rheinländer sagen: Wat fott es, es fott.
Seit 2006 verwaist: Die frühere Botschaft der Republik Ungarn in Bonn-Bad Godesberg (Ortsteil Plitterdorf). Bild: Monika Gemmer
Am Hauptbahnhof wird derzeit die Südüberbauung abgerissen. Das unattraktive “Bonner Loch” soll komplett neu gestaltet werden. Bild: Monika Gemmer
Das Bonn-Center, ein Geschäftshochhaus am Rande des Regierungsviertels, wird am 19. März 2017 gesprengt – unter dem strengen Blick Konrad Adenauers, dessen Büste vor dem ehemaligen Kanzleramt steht. Bild: Monika Gemmer
Hübsch hässlich: Die zwei Seiten von Bonn, hier in der Poststraße. Bild: Monika Gemmer
Auch das ist Bonn: Eine Stadt, die üppig wie nur wenige andere in Deutschland mit herausgeputzten Häusern aus der Gründerzeit ausgestattet ist. Vor allem in der Südstadt reiht sich eine Fassade an die andere, auf denen Jahreszahlen aus der Zeit um die Jahrhundertwende prangen.
Gründerzeit-Fassaden im Bonner Stadtteil Poppelsdorf. Bild: Monika Gemmer
Balkönchen-Parade in der Colmantstraße. Bild: Monika Gemmer
Aber nicht nur dort, auch in anderen Stadtteilen findet sich noch viel alte Bausubstanz. Zum Beispiel in Kessenich. Hier habe ich mich für ein paar Tage via AirBnB privat einquartiert und mache mit dem Fahrrad Entdeckungsausflüge in Stadt und Umgebung. Ich will Bonn endlich kennenlernen – und bei dieser Gelegenheit, regelmäßige Leserinnen wird es nicht überraschen, auch einige Droste-Orte in und um Bonn aufsuchen. In Kürze mehr dazu!
Die Breite Straße in der Bonner Nordstadt. Bild: Monika Gemmer
Blick in die Wolfstraße. Bild: Monika Gemmer
Die Ecke Breite Straße / Dorotheenstraße. Bild: Monika Gemmer