Er, Levin Schücking, kennt sie, Luise von Gall, lediglich vom Hörensagen – und weil er glaubt, dass es an der Zeit ist, eine Braut zu finden, lässt er ihr über einen Freund schriftlich ausrichten, er würde sie gerne heiraten – in sieben Jahren … sie solle schon mal passende Kleidung bereitlegen.
Kann man sich ineinander verlieben, bevor man sich persönlich begegnet ist? (Eine rhetorische Frage. Ich kenne die Antwort bereits.) Eine Beziehung, die auf Distanz beginnt, ist vielen suspekt – sie kann nicht ernsthaft, nicht von Dauer sein, und vor allem: Sie wird – gerade von Menschen, die sich wenig im Web bewegen – für eine irgendwie degenerative Erscheinung des virtuellen Zeitalters gehalten. Zu unserer Zeit hätte es das nicht gegeben.
Irrtum.
Ich musste eine Weile suchen, bis ich endlich ein Exemplar eines Buches in die Hände bekommen habe, das das Gegenteil beweist. Über die Online-Fernleihe (eine wunderbare Erfindung übrigens, zu meiner Zeit hat es das leider nicht gegeben) wurde ich in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg fündig. Der Anlass war, man ahnt es, die Arbeit am Droste-Projekt, für das ich lediglich ein paar Hintergrundinformationen brauchte. Aber je mehr ich in dem Briefwechsel zwischen einem 28jährigen Juristen und einer um ein Jahr älteren Schriftstellerin las, umso mehr hat mich diese Liebesgeschichte bewegt. Sie beginnt im Spätsommer 1842.
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