Heute morgen geht es im Hauptsaal der Kalkscheune zunächst um “Die Medien(r)evolution – Wie überholt sind die alten Medien, wie innovativ die neuen?” Auf dem Podium (von links): Thomas Knüwer, Tim Pritlove (Moderation), Mercedes Bunz, Jochen Wegner, Johnny Haeusler (nicht im Bild, weil er zu spät kam, was die Spekulation nährte, er sei ohnehin nur ein Avatar – aber das Gesicht ist ja hinlänglich bekannt.;)).
Wie hat das Web den Journalismus verändert? Das Podium nähert sich dieser Frage zunächst handwerklich: “Im klassischen, alten Journalismus war der Link das Telefon. Da wurde den ganzen Tag telefoniert. Heute heißen Quellen Links, aber im Grunde ist es das gleiche”, meint Bunz (Tagesspiegel). Ein Konferenzteilnehmer sieht da sehr wohl einen wichtigen Unterschied: Ein Journalist, der zum Telefon greift, recherchiere selber. “Einen Link setzen heißt einfach nur das Internet abgrasen.” Bunz widerspricht: Um beispielweise das Ergebnis einer wissenschaftlichen Arbeit zu erfahren, könne man ebenso gut die Studie im Web nachlesen, statt den Forscher anzurufen. Das Spannendere sei jedoch, wie Zeitungen nach außen hin mit der Entwicklung umgehen.
Knüwer (Handelsblatt) sieht bei den Verlagen einen “kritischen Punkt erreicht”: Redaktionen seien im Begriff, sich zu zerteilen – in die Leute, die gerne multimedial arbeiten und die Freiheiten dieser Form des Publizierens genießen, und jene, die womöglich ihre Arbeitsplatz verlieren, die Ursache dafür im Internet sehen und den anderen vorwerfen, “da auch noch mitzumachen”. Knüwer nennt das einen “Kulturkrieg” und prognostiziert: Der werde in den kommenden Jahren in den Redaktionen vollends ausbrechen.
Jochen Wegner (Focus Online) glaubt nicht recht an Online First: “Das ist irgendwie Unsinn.” Der Alltag in den Redaktionen sehe anders aus. Im Zweifelsfall, wenn abends der Redaktionsschluss drückt, würde online eben nicht zuerst bedient – schon gar nicht, wenn es um “das große exklusive Merkel-Interview” gehe. Bei Focus Online würden 50 Leute einen “Nahezu-24-Stunden-Betrieb” zu stemmen versuchen. Natürlich werde viel Agenturmaterial verwendet, ebenso zahlreiche Artkel aus dem gedruckten Magazin, dazu gebe es aber täglich gut 20 eigene Geschichten.
Bunz begrüßt grundsätzlich die “Experimentierphase”, die in den Verlagen eingesetzt habe. Beim Tagesspiegel seien die Vorbehalte der Printredaktion gegenür Online deutlich zurückgegangen, die Kollegen seien aufgeschlossener, würden Artikel oder Langfassungen auch mal vorzeitig an die Online-Redaktion durchreichen. Knüwer stößt sich prompt an der Formulierung, fragt, warum eine Online-Redaktion darauf warten muss, dass Printkollegen etwas “reichen”, statt sich Texte “zu holen”. Bunz erinnert daran, dass Print und Online immer unterschiedlich produzieren werden – “es ist ein anderes Prodzuzieren in der Zeit, und das wird man nie rauskriegen.” Hinzu komme, dass viele Verlage – einschließlich des Tagesspiegels – noch immer technisch schlecht ausgestattet seien. “Man kann sich kaum vorstellen, mit welchen grottigen Computersystemen man bei Holtzbrinck arbeitet.”
Torsten Kleinz, Online- und Print-Journalist, bricht eine Lanze für die Umfassenheit der “alten” Medien: Wenn er sich unter Leute umhöre, die ausschließlich Blogs lesen, stelle er fest: Die sind teilweise erschreckend schlecht informiert.” Blogs als ausschließliches Informationsmedium? Haeusler kann sich das nicht vorstellen, Knüwer ebensowenig. Eine sinnvolle Aufagenteilung sieht für ihn so aus: Das Internet liefert schnell alle Nachrichten, der Print bringt die einordnenden, erläuternden Hintergrundtexte. Wegner wirft ein: “Das kann ich aber doch online auch?”
Wo aber bleibt die (ohnehin nur in Klammern gesetzte) Revolution? Liegt sie in einem Gedanken, den ein Teilnehmer im Publikum äußert: Wird die Print-Ausgabe in Zukunft das Supplement der Online-Ausgabe sein? Wird man in Zukunft das Geld übers Internet verdienen?
Ob die Zeitung bestehen bleibe, hänge auch davon ab, wie sich die Trägermedien weiterentwickeln, meint Bunz. Bislang hätten beide Formen noch ihren Vor- und Nachteile, würden sich noch sinnvoll ergänzen, aber das könne sich ändern. “Ich selber lese gerne Zeitung”. Haeusler gesteht ebenfalls, dass er regelmäßig und gerne in der Tageszeitung blättert: “Ich mag die Haptik von Papier, ich bin ein Magazin-Junkie.”
Wie zum Beweis wird die erste (und angeblich einzige) Spreeblick-Printausgabe verteilt. Die Titelgeschichte auf dem Tabloid-Heft: “Print ist tot”. Das Editorial erklärt:
Print ist tot. Steht ja überall. Oft sogar gedruckt. Und da dachten wir uns, machen wir doch mal schnell Print! Bevor es ganz verschwunden ist.
Zur Frage nach der Revolution fällt Haeusler durchaus noch etwas ein: “Die Informationshoheit fällt.” Es mag noch an der Qualität mangeln, “aber wir haben ja viele Jahre Zeit zum Üben.”
Sollte sich jemand falsch wiedergegeben fühlen – bitte melden!
re:publica: Podiumsdiskussion zur Medien(r)evolution…
So eben findet die Diskussion zum Thema Die Medien(r)evolution – Wie überholt sind die alten Medien, wie innovativ die neuen? in der Kalkscheune am letzten Tag der re:publica statt.
Auf dem Podium sitzen von links nach rechts: Johnny Haeusler, Th…
Zwanzig eigene Geschichte? Bitte mal einer nachzählen.