Das Leistungsschutzrecht verwirrt selbst seine Befürworter

Es kam, wie es kommen musste: Eine schwarz-gelbe Mehrheit im Bundestag löste heute ihr Wahlversprechen an die mächtigsten Medienkonzerne des Landes ein und verabschiedete ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Dass im Axel-Springer-Verlag heute die Sektkorken knallen, ist dennoch unwahrscheinlich. Denn das, was das Parlament da mit 293 Ja- zu 243 Nein-Stimmen (und bei drei Enthaltungen) passieren ließ, wird den Presseverlagen die erhofften zusätzlichen Einnahmen nicht bescheren. Auf die dürfen sich stattdessen die Abmahnanwälte des Landes freuen. Google, den ursprünglichen Adressaten des Gesetzes, wird es nicht kratzen. Seitdem wenige Tage vor der Verabschiedung ein entscheidender Halbsatz in den Gesetzestext geriet, der das Zitieren von „einzelnen Wörtern und kleinsten Textausschnitten“ ausdrücklich erlaubt, kann sich der Konzern zurücklehnen. Oder doch nicht?

Die Argumente für und gegen das LSR sind ja hinlänglich bekannt, selbst heute ließen es sich Unionsabgeordnete nicht nehmen, noch einmal zu behaupten, das LSR sei notwendig, damit Presseverlage künftig vor dem „Diebstahl“ ihrer Inhalte geschützt sind. Ein Aspekt der heutigen Diskussion ließ dann aber doch noch kurz aufhorchen. Er dreht sich um den Hauptkritikpunkt der letzten Tage: Wie klein denn „kleinste Textauszüge“ sein dürfen, lässt das Gesetz offen. Dass man damit bewusst Rechtsunsicherheit für alle, die ins Internet schreiben, in Kauf nimmt, gaben LSR-Befürworter wie Ansgar Heveling und Günter Krings heute offen zu: Unbestimmte Rechtsbegriffe seien gängige Praxis bei der Gesetzgebung. Die Juristen würden’s schon richten.

Einer versuchte sich im Bundestag dann doch an einer eigenen Interpretation des Gesetzes: Diese kleinsten Textauszüge dürfen nur „beschreibender Natur“ sein, formulierte Thomas Silberhorn, rechtspolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Bereits das Einblenden von “ein oder zwei Zeilen” würde das Leistungsschutzrecht verbieten.

In wieweit die Betreiber von Suchmaschinen von diesem Leistungsschutzrecht tangiert sind, hängt davon ab, was genau sie in ihren(…) Trefferlisten anzeigen. Entscheidend für den Anwendungsbereich des Leistungsschutzrechtes ist zunächst nicht die konkrete Länge des Textausschnittes, sondern maßgeblich ist vielmehr, ob das Suchergebnis auf die verlagstypische Leistung der Presseverlage und damit auch den Wert der Leistung zugreift. Dort also, wo Inhalte Dritter angezeigt werden, und seien es nur ein oder zwei Zeilen, dort wird eine verlagstypische Leistung eines anderen Anbieters genutzt, und dort greift das Leistungsschutzrecht. Wenn aber nur einzelne Wörter, kleinste Textausschnitte angezeigt werden, die beschreibender Natur sind, die lediglich das Auffinden des gewünschten Suchbegriffs ermöglichen sollen, dann handelt es sich um die originäre Leistung der Suchmaschine, und das liegt nicht im Anwendungsbereich des Leistungsschutzrechts.

Habe ich das richtig verstanden: Demnach dürfen Suchmaschinen und Aggregatoren auch die kleinsten Textauszüge, die das Gesetz ja angeblich erlaubt, nicht einfach übernehmen, sondern müssen diese umschreiben? Wie kommt Silberhorn zu dieser Interpretation? Dem Gesetzestext kann er das nicht entnommen haben. Der kleine Vorfall zeigt sehr deutlich, dass nicht einmal die, die das LSR in seiner ganzen Ungenauigkeit befürworten, genau zu wissen scheinen, was es denn nun erlaubt und was nicht.

Hier nochmal der Wortlaut der Rede; die oben zitierte Stelle kommt ab Minute 5:10:

Amüsant fand ich den Hinweis auf das vermeintlich abschreckende Beispiel Frankreich, wo sich Google mit den Verlagen abseits eines Gesetzes finanziell geeinigt hat. Silberhorn bezeichnete das heute mit unüberhörbarem Widerwillen in der Stimme als „orientalischen Basar“, der als Grundlage für die deutsche Gesetzgebung ungeeignet sei. Hierzulande sagt man stattdessen: „Der Markt wird’s regeln.“