Mit Bonn verbindet mich ein Teil meiner Familiengeschichte: Meine Mutter wuchs im Rheinland auf, und die Besuche bei meinen Großeltern und weiteren Verwandten führten uns jahrzehntelang immer wieder hierher zurück.
Die Familie meiner Mutter war in dieser Gegend tief verwurzelt: Bei einem Ausflug in die Ahnenforschung fand ich Vorfahren bis weit ins 18. Jahrhundert zurück, die in den Dörfern rund um Bonn gelebt hatten (einige, wie Kessenich und Friesdorf, sind heute Bonner Stadtteile).
Mein Vater wiederum, der aus dem Ruhrgebiet stammt, studierte in Bonn und lernte dort meine Mutter kennen. Als 85-Jähriger nahm er uns Kinder kürzlich mit auf eine Reise in seine jungen Bonner Jahre, rüttelte an der verrosteten Tür in den Mauern der Stadtbefestigung, in deren Gewölbe als Student hauste, und zeigte uns lächelnd das Universitätsgebäude, jenen Ort, wo meine Mutter sich nach ihm erkundigt hatte, weil sie ihn nach einem ersten Treffen wiedersehen wollte. (Der Kommilitone, den sie damals auf dem Universitätsflur nach ihm fragte, wurde später mein Patenonkel.)
Mein einprägsamstes Bonn-Erlebnis hatte ich Anfang der 80er Jahre, als ich zusammen meiner Mutter und 150.000 anderen Menschen auf einer der großen Friedensdemonstrationen im Bonner Hofgarten war.
Und trotz alledem bin ich mit Bonn nie warm geworden. Es blieb die fremde Stadt, in die wir fuhren, um langweilige Verwandtschaftsbesuche zu machen – oder noch langweiligere Spaziergänge. Ganz dunkel erinnere ich meinen Opa, der die Rheinpromenade entlangmarschierte, plötzlich stehenblieb, wichtig gen Süden schaute, mit seinem Stock Richtung Regierungsviertel zeigte und mit erhabener Stimme etwas von “Hammerschmidt” sagte, von “Schürmann-Bau” und “Langem Eugen”. Mir war das so egal.
Dann, als war die Party vorbei und das Regierungsviertel verlassen war, tat Bonn mir irgendwie leid. Die ehemalige Hauptstadt wirkte auf mich aus der Zeit gefallen, morbide und an manchen Stellen fast ein bisschen apokalyptisch mit ihren verwaisten Gebäudekomplexen, den kaputten Jalousien in den Fenstern, den Hecken, die niemand mehr stutzt, dem Grün, das überall den Beton überwuchert. Während die Uhren im Rest des Landes weiter tickten, gab es in Bonn Ecken, wo die Zeit stehengeblieben schien.
Doch inzwischen hat Bonn bewiesen, dass die Stadt flexibel ist. Bonn kann sich trennen! Oder, wie die Rheinländer sagen: Wat fott es, es fott.
Auch das ist Bonn: Eine Stadt, die üppig wie nur wenige andere in Deutschland mit herausgeputzten Häusern aus der Gründerzeit ausgestattet ist. Vor allem in der Südstadt reiht sich eine Fassade an die andere, auf denen Jahreszahlen aus der Zeit um die Jahrhundertwende prangen.
Aber nicht nur dort, auch in anderen Stadtteilen findet sich noch viel alte Bausubstanz. Zum Beispiel in Kessenich. Hier habe ich mich für ein paar Tage via AirBnB privat einquartiert und mache mit dem Fahrrad Entdeckungsausflüge in Stadt und Umgebung. Ich will Bonn endlich kennenlernen – und bei dieser Gelegenheit, regelmäßige Leserinnen wird es nicht überraschen, auch einige Droste-Orte in und um Bonn aufsuchen. In Kürze mehr dazu!
Interessant, Dein Blick auf Bonn und Deine Erinnerungen. Ich habe ja tatsächlich viele Jahre in Bonn gelebt und mir ging es wie Dir. Es gibt einige Orte in Bonn, die sind schön, aber wirklich warm geworden bin ich mit der Stadt auch nicht, und wie Dir ging es mir so, dass ich Mitleid mit der Stadt hatte, als die “(Polit-Diplomaten-Journalisten-,etc-)Karawane” weiterzog. Denn zumindest die Diplomaten und Gäste aus aller Welt hatten etwas Leben und Abwechslung nach Bonn gebracht. Zum Glück ist es der Stadt gelungen einen gewissen internationalen Zuzug bzw. Durchzug aufrechtzuerhalten. Und zum Glück blieben die Studenten. Trotzdem, auf mich wirkt die Stadt seither eher noch langweiliger.
Dass man sich jetzt endlich solcher Schandflecke wie dem “Bonner Loch” oder dem “Bonn Center” annimmt, sind gute Nachrichten, kommt aber viel zu spät und wird an der grundsätzlichen Langweiligkeit vermutlich nicht viel ändern.
Andererseits, vielleicht muss man Bonn einfach als das nehmen, was es ist: ein Städtchen, dass eigentlich immer überfordert wurde und nach Kräften versucht hat, dieser Überforderung gerecht zu werden. Mal erfolgreich, mal weniger erfolgreich.
Danke für deinen Kommentar, Liisa! Spannend, dass es dir ähnlich geht – und dabei hast du weit mehr Bonn-Erfahrung als ich.
Heute habe ich mit dem Rad die Nordstadt erkundet und bin sehr angetan! Die Gegend um Breite Straße, Dorotheenstraße, Wolfstraße, Paulstraße etc hat mir richtig gut gefallen! Auch hier viele Gründerzeithäuser, dabei sehr studentisch, kleine Läden, nette Cafés, leckeres Hummus (Kaiserhüttn am Wilhelmsplatz!), leckeres Eis (Eislabor, Maxstraße!) :) Ich werde noch ein paar Bilder ergänzen.
Ich denke, dein letzter Satz bringt es auf den Punkt. Vielleicht war es für Bonn genau richtig, dass die Karawane weiterzog – eine Chance ist das allemal. Der Tag heute jedenfalls hat mir Bonn ein ganzes Stück näher gebracht.
Viele Grüße vom Rhein!