Um die Sache mit der Langzeitbelichtung zu lernen, war ich mit einem Fototrainer, einer Canon EOS 70D und einem Stativ dreieinhalb Stunden lang im abendlichen Frankfurt unterwegs. Was ich von diesem Kurs mitgenommen habe und welche Bilder dabei herauskamen, fasst dieser Beitrag zusammen.
Kurz nach 19 Uhr an einem Spätsommerabend. Wir, eine Gruppe von acht Hobby-Knipsern, sind mit dem Fototrainer an der Alten Oper in Frankfurt verabredet. Es fängt gerade erst an zu dämmern. Noch ist gerade ausreichend Umgebungslicht da, um Bilder mit kurzen Verschlusszeiten aus der Hand zu machen. Unser Kursleiter gibt uns nach einer kurzen Einführung jedoch eine andere Aufgabe: Wir sollen die Rücklichter der vorbeifahrenden Autos als rote Linien festhalten. Was wir dafür brauchen, ist eine Langzeitbelichtung. Und damit auch ein Stativ.
Aus einem Grundlagenkurs im vergangenen Jahr weiß ich: Die Belichtungs- oder Verschlusszeit stelle ich im TV- oder S-Modus (steht für Time Value bzw. Shutter) manuell ein, die Kamera schlägt dann um die passende Blende vor. Im AV-Modus (Aperture Value) läuft die Halbautomatik andersrum: Ich bestimme die Blendenöffnung, die Kamera berechnet dazu die passende Verschlusszeit. Zwei Anwendungsszenarien habe ich mir damals gemerkt: Nimm TV für bewegte Motive und AV für unbewegte Motive.
Fahrende Autos, die ich nicht mit einer ganz kurzen Verschlusszeit “einfrieren”, sondern deren Bewegung ich sichtbar machen will: Ich brauche also eine lange Belichtungszeit. Nach einigem Probieren bekomme ich mit drei bis fünf Sekunden ein ganz brauchbares Ergebnis. Längere Verschlusszeiten lassen die vorbeifahrenden Autos fast komplett verschwinden.
Erkenntnis aus der ersten Übung: Mein Stativ ist Mist. Vor allem, weil es auch maximal ausgeklappt so kurz ist, dass ich mich bücken muss, um den Bildausschnitt im Sucher zu wählen, und immerzu irgendein Pfosten oder ein Geländer im Blickfeld ist. Das ist lästig und unbequem, und zwar zu jeder Tages- und Nachtzeit. Dazu kommt, dass es nur so halbherzig stabil ist. Ganz offensichtlich an der falschen Stelle gespart.
Einen Fernauslöser habe ich auch nicht. Das macht aber nichts, denn bis zu einer bestimmten Verschlusszeit (später am Abend werde ich bis zu 30 Sekunden belichten) tut es auch die Selbstauslöse-Funktion der Kamera. Ich habe eine Verzögerung von 2 Sekunden eingestellt: Bei der Spiegelreflex klappt mit dem Betätigen des Auslösers auch gleich der Spiegel hoch und die Kamera hat danach hineichend Zeit, sich zu beruhigen und wackelfrei zu belichten – vorausgesetzt, man hat ein stabiles Stativ. :-/
Alles, was den Fotoapparat beim oder unmittelbar vor dem Belichten in Schwingungen versetzen könnte, schaltet man am besten aus – zum Beispiel den Bildstabilisator und den Autofokus. Bei Dunkelheit erkennt die Kamera ohnehin zu wenig Kontraste, um das gut hinzukriegen. Profis empfehlen, manuell scharfzustellen, in den Live-View-Modus zu wechseln, also das Display als Sucher zu nutzen (funktioniert bei manchen Kameras nur bei deaktiviertem Autofokus!) und den Teil des Motivs, der scharf abgebildet werden soll, mit der Lupe zu vergößern.
Tja. Hätte ich diesen Tipp beherzigt, wäre die Alte Oper auf diesem Bild vielleicht schärfer geworden. Ich war aber so abgelenkt von dem schön verschleierten Wasser und dem dramatisch blauen Himmel, das mir die Unschärfe des Gebäudes gar nicht auffiel …
Die Blaue Stunde
… dauert in unseren Breiten leider nie volle 60, aber immerhin zwischen 30 und 50 Minuten. Um diesen besonderen Moment in der Dämmerung pünktlich zu erwischen, empfiehlt sich der Blick auf einen Blaue-Stunde-Rechner wie diesen oder auch diesen, oder eine App wie Sun Surveyor.
Das Blau der Blauen Stunde kann auf Fotos noch blauer werden, wenn man den automatischen Weißabgleich umschaltet auf den Modus Kunstlicht (Symbol “Glühbirne”) oder Leuchtstoff (“Leuchtstoffröhre”) – der sorgt für kühleres Licht. Der Unterschied ist auf den folgenden beiden Fotos vor allem in der linken oberen Ecke gut zu sehen. Eine Farbtemperatur mit den Symbolen “Schatten” bzw. “Wolken” hingegen taucht das Motiv in wärmeres Licht.
Dieses Bild ist etwas später an derselben Stelle entstanden. Die Blaue Stunde ist inzwischen vorbei, die Verschlusszeit habe ich auf 15 Sekunden ausgedehnt. Dass die Alte Oper unscharf abgebildet wird, ist mir offensichtlich immer noch nicht aufgefallen … Bildrauschen: Wenn Bilder bei Langzeitbelichtungen körnig werden, hat das – ach, halt irgendwas mit der Spannung zu tun, unter dem die Dioden auf dem Chip stehen. Diese Spannung (und damit das Problem) verstärkt sich noch, wenn der Fotoapparat nach längerer Benutzung warm wird. Zwei Tipps gegen Bildrauschen: Die Lichtempfindlichkeit auf den ISO-Wert 100 stellen und die Kamera zwischendurch mal ausschalten, damit sie abkühlen kann.Wir wechseln den Standort, gehen rüber zur ehemaligen EZB, um dort ein bisschen mit dem verwaisten Eurozeichen zu spielen. Angekündigt war ein Ausflug ins Lightpainting, und ich hatte mir vorgestellt, dass wir eine Lichtquelle vor der Kamera während der Langzeitbelichtung so bewegen, dass auf dem Foto beispielsweise ein Schriftzug sichtbar wird. Eigentlich spannend. Der Kursleiter hatte aber eine andere Form der Lichtmalerei im Sinn: Wir veränderten die Kamera, genauer gesagt: die Brennweite, um mit Licht zu malen. Dieser Effekt ist entstanden, als ich während der Belichtung alle 10 Sekunden vorsichtig am Objektiv gedreht habe.
Naja, wenigstens habe ich ein Symbolbild abgestaubt, das sich im Zuge der Eurokrisen-Berichterstattung bestimmt mal verwenden lässt. ;-/Die Bilder, die mir eigentlich vorschwebten, sind spät in der Nacht auf eigene Faust am Eisernen Steg und auf der Flößerbrücke entstanden. Eine Verschlusszeit von 25 Sekunden hat gereicht, um hier genug Licht einzusammeln.
Und am Ende meines Fotoabends pflügt wie bestellt eines dieser Flusskreuzfahrtschiffe, die immer häufiger in Frankfurt festmachen, unter den Main-Brücken hindurch. Inzwischen weiß ich: Wähle ich eine zu lange Verschlusszeit, ist davon auf dem Foto nichts mehr zu sehen. Ich entscheide mich für 15 Sekunden: