Der Film spielt in einem Seniorenheim für ehemalige Opernstars: Professionelle Tenöre und Soprane, Violinisten, Pianistinnen, Jazzmusiker, Kontrabassisten … sie alle eint die Leidenschaft für die Musik, um die sich noch im Altersheim den lieben langen Tag alles zu drehen scheint.
Obwohl: Ein Altersheim ist Beecham House eigentlich nicht. Es ist eine vornehme Residenz. Ein von einem weitläufigen Park umgebenes englisches Herrenhaus, die Eingangshalle gesäumt von einer hohen umlaufenden Ballustrade – die ganze Bewohnerschaft kann hier oben Aufstellung nehmen und applaudieren, als eine neue Mitbewohnerin das Haus betritt. Die gefeierte Sopranistin Jean Horton – mit ihrer versteinert wirkenden Fassade, die ihre Unsicherheit verbergen soll, wunderbar verkörpert von Maggie Smith – nimmt den Beifall entgegen, als stünde sie wieder auf der Bühne.
Das Leben auf der Bühne, das Leben vor Publikum, das Leben mit der Kunst: Das ist es, woran hier alle hängen und das keiner so recht hergeben mag, auch wenn es vorbei ist. Das jährliche Benefizkonzert dient nur vordergründig dem Eintreiben von Geldern, um das Haus zu erhalten. Sein eigentlicher Zweck ist es, die Bewohner am Leben zu halten.
Ok, ok: Im wahren Leben haben alte Menschen andere Sorgen. Das wahre Alter spielt sich nicht in adretten Landsitzen voller Antiquitäten ab, wo freundliche, gute Geister uns jeden Wunsch von den Augen ablesen. Sondern (günstigenfalls) in der kleinen Wohnung oder, wohl eher, in einem gefliesten Altersheim, umgeben von schlecht bezahltem und überforderten Personal. Und vor allem: Mit Gebrechlichkeiten, Krankheiten, nachlassenden Geisteskräften. Mit Existenznöten.
All das kommt, wenn überhaupt, in “Quartett” nur am Rande vor. Die Seniorenresidenz “Beecham House” ist eine Insel der Glückseligkeit, in solchem Ambiente dürfen in der realen Welt nur die wenigsten alt werden. Aber darum geht es nicht. Es geht darum, dass es auch auf die alten Tage zum Glück mehr braucht als materielle Sicherheit. Es geht um den Mut, das Altwerden und seine Begleiterscheinungen zu akzeptieren – und trotzdem weiterhin das zu tun, wofür man brennt. Die Stimme ist brüchiger geworden, das Lungenvolumen weniger, die Finger auf den Tasten sind nicht mehr so schnell und geschmeidig. Na und? Tu das, was du liebst – auch, wenn es deinen früheren Ansprüchen nicht mehr genügt.
Oder, mit den Worten von Regie-Debütant Dustin Hoffman (75):
Es geht nicht nur darum, was am Ende herauskommt.
Ein wirklich empfehlenswerter Film über das Altwerden, der sich in einige kluge Sätze reiht, die ich in letzter Zeit darüber gehört und gelesen habe. Vor allem aber darf ich inzwischen meine eigenen Erfahrungen mit dem Älterwerden machen. Und siehe da: Ich beginne, mich mit meinen grau gewordenen Haaren und der zunehmende Faltentiefe zu versöhnen – weil ich sehen kann, was das Leben mir im Gegenzug schenkt. Das Reservoir an Lebensjahren und -erfahrung hat einen Umfang erreicht, aus dem sich ein gewisse Gelassenheit und ein stabiles Gefühl von Selbstsicherheit schöpfen lassen. Mit meinen 45 Jahren habe ich gewiss noch nicht ausgelernt (das hat man ja nie), und noch immer bin ich kindlich gespannt wie ein Flitzebogen, was alles auf mich wartet. Aber ich weiß inzwischen eben auch, was ich will und was ich kann. Und dass ich nicht mehr alles mitmachen muss.
Älterwerden ist gar nicht mal so schlecht.