Sie raucht wie ein Schlot, spricht ein Englisch mit sehr deutschem Akzent, führt ein offenes Haus und ein geselliges Leben im New Yorker Exil. Sie scheut keine politische Auseinandersetzung, und wenn dabei Freundschaften auf der Strecke bleiben, wirkt das wie ein Kollateralschaden: nicht schön, aber eben unvermeidbar. Tief im Inneren aber leidet sie darunter. Barbara Sukowa ist als Hannah Arendt einfach großartig, und der Kinofilm ist rundum zu empfehlen.
Eigentlich hatte ich erwartet – und der Trailer legt das ja auch nah – , dass der Film sich hauptsächlich um Hannah Arendts These von der Banalität des Bösen dreht. Dieser unangenehme Befund, dem Nazi-Verbrecher Eichmann, aus Argentinien nach Israel entführt und dort vor Gericht gestellt, trotz allem nicht den Status eines Monsters zuzugestehen. Stattdessen sieht sie in ihm einen schlichten Bürokraten des Todes, einer, der nicht weiter nachdenkt, über das was er tut. Wenn einer wie Eichmann keine Bestie war, sondern normal, “wie du und ich”, und wenn der Charakterzug, der ihn das tun ließ, was er tat, banal, also allgemeingültig und weitverbreitet war – was heißt das dann für “dich und mich”? Vor allem in Deutschland werden sich viele dieser Frage nicht gerne gestellt haben.
Der Film von Margarethe von Trotta stellt aber eine andere Kontroverse in den Mittelpunkt des Streits, den Hannah Arendt mit Freunden, Arbeitgeber und Öffentlichkeit ausficht: Sie beschreibt die Rolle der von den Nazis zwangsweise installierten “Judenräte” und legt dar, wie diese an Verfolgung und Vernichtung mitwirkten. Hannah Arendt spricht offen über Kooperation. Schmerzhaft und kaum zu ertragen war das, vor allem dort, wo Eichmann der Prozess gemacht wurde, in Jerusalem, aber auch in Hannah Arendts unmittelbaren Umfeld aus Überlebenden und Exilanten.
Als Ikone des Antifaschismus eignet sich Hannah Arendt nicht, das macht der Film ganz gut deutlich. Sie stellt wissenschaftliche Maßstäbe in den Vordergrund, auch um den Preis, dass moralische Maßstäbe dahinter verblassten. Und starke Frau, die sie war, eignet sie sich dennoch auch nicht recht als Ikone des Feminismus: Frauen, sagt sie in einem Interview mit Günter Gaus von 1964, sollten keine Führungspositionen haben – dass Frauen Befehle erteilen, schicke sich nicht. Da sei sie ganz altmodisch. Und fast im gleichen Atemzug lässt sie ihren Gesprächspartner alt aussehen, als der sie fragt, ob ihr die Wirkung ihrer Arbeit wichtig sei. Ihre Antwort: “Männer wollen immer furchtbar gern wirken… Ich will verstehen.”