So sind wir nun mal gestrickt: Wir wollen einfache Antworten, auch, wenn die Dinge kompliziert sind. Auf diesem Bedürfnis fußt nicht nur der Erfolg einer millionenfach gekauften Boulevardzeitung, es erklärt auch, warum Bücher wie Hermans Eva-Prinzip oder Buebs Lob der Disziplin zu Bestsellern werden: Ob kinderarme Gesellschaft oder Disziplinlosigkeit der Jugend, wir mögen nicht lange über Ursachen grübeln oder gar neue Wege aus dem Dilemma ersinnen. Wir erinnern uns lieber, dass wir da mal ein Rezept hatten, wo haben wir’s doch gleich – ah, hier! Ganz unten in der Schublade. Zurück zur Hausfrauenehe! Zurück zur autoritären Erziehung!
Hat mal funktioniert – zu einer anderen Zeit, und eben nicht auf Dauer. Denn wären wir alle mit den alten Rezepten so glücklich gewesen, dann würden wir heute noch nach ihnen kochen, oder?
Meine Eltern waren zwar weit entfernt von einer strikt autoritären Erziehung, aber als sie mir mit auf den Weg gaben, dass ich etwas lernen müsse, wenn ich es in meinen Wunsch-Beruf schaffen wolle, war das noch halbwegs glaubwürdig. Heute wirkt der Ruf nach Disziplin hohl, wie das Beschwören einer Zauberformel, deren Wirksamkeit längst widerlegt ist. Dass es besser ist, wenn Schüler ihre Lehrer wie normale Menschen behandeln statt sie anzupöbeln – wer möchte da nicht zustimmen. Ob es aber reicht, jungen Menschen unter Androhung von Strafe Disziplin beizubringen, wenn die außerhalb der Käseglocke Schule längst nichts mehr wert ist? Unter all den Jugendlichen, die bei der Lehrstellensuche leer ausgehen, sind nicht nur faule Säcke; und unter den Millionen, die arbeitslos werden, nicht nur junge Leute ohne Abschluss oder mit schlechter Ausbildung. Wenn die in schlecht ausgestatteten Schulen, von Laien unterrichteten randalierenden Jugendlichen von Disziplin nicht viel halten, dann vielleicht, weil sie den Gegenwert nicht mehr bekommen, der vor 20 Jahren noch selbstverständlich war: einen Ausbildungsplatz oder einen Beruf, der sie glücklich macht. Wenn als Lohn für die Mühe aber einzig ein Lob des Ex-Salem-Direktors Bueb winkt – nunja.
Die FR dokumentiert dazu heute einen Beitrag, den Wolfgang Bergmann für die Buch Vom Missbrauch der Disziplin geschrieben hat: Da ist kurzer Prozess angesagt.
*mit besten Grüßen an Ulla Meinecke
Ich kenne Buebs Buch nicht. Aber ich habe ein langes Interview mit ihm – ih meine im Deutschlandfunk – gehört. Da erschien er mir sehr vernünftig, sehr plausibel.
Und es war das zu erwarten, was seither eingetreten ist: Sobald jemand von “Disziplin” und “Autorität” spricht und Zweifel an “antiautoritärer Erziehung” hegt, heulen linksliberale Pädagogen auf. Aber waren die wirklich erfolgreich in der Vergangenheit mit ihrem Erziehungsstil?
Meine Frau ist auf eine integrierte Gesamtschule in Hessen gegangen. Ich war lange auf einem humanistischen (Pauk-)Gymnasium in Bayern. Was glaubst du wohl, wer von uns beiden ist glücklicher mit seiner sich danach ereignenden “Karriere”?
Mehr als das: Ich bin heute heilfroh, dass ich eine “klassische” Schulbildung unter der Knute von Autorität und Disziplin erlitten habe. Sie macht mich heute – bzw. seit geraumer Zeit – nicht nur sehr viel wissender (im Sinne von Faktenwissen), sondern auch sehr viel freier. Denn ich weiß sehr gut, dass Freiheit nur mit Disziplin gelebt werden kann.
Weder die noch die anderen. Scheint, als würden beide Wege nicht zum Ziel führen – jedenfalls, solange man sie jeweils strikt verfolgt. Da ist zwischen dem Gejaule der Linken und jenem der Autoritären wenig Unterschied herauszuhören.
Du bestätigst doch eigentlich, was ich meine: Unsereins (ich vernachlässige mal unseren doch spürbaren Altersunterschied, gell) hat noch einen “Gegenwert” für die Disziplin bekommen. Kriegen den die Jungen von heute auch? Das bezweifle ich eben…
“Gegenwert”? Der “Gegenwert” für Disziplin bestimmt immer und zu allen Zeiten für jedermann darin, mit allen auftauchenden Lebensproblemen besser fertig zu werden.
Was glaubst du, was Praktikant Daniel L. wohl in seinen vergangenen Jahren gefehlt hat? Vielleicht Disziplin, Führung, Übernahme von Verantwortung, Orientierung an jemandem, der ihm den Wert dieser Fähigkeiten/Eigenschaften vernünftig und sinnvoll erklärt?
Und warum kriegt er dies auch im Betrieb F. in der Abteilung O. nicht vermittelt? Weil Abteilungsleiter H. das nicht vermitteln kann, weil er selbst…?
Ok. Überzeugt.
;-)
Das war einfach.
Das Argument war schlagend.