Wenn ich den Kopf hebe, schaue ich direkt aufs Meer. Das Zimmer im Strandhotel Dagebüll hat Blick aufs Wasser (jetzt gerade aufs Watt), rechts sehe ich in der Ferne einen Zipfel von Föhr, links verläuft der Deich und verliert sich irgendwo am Horizont. Dort komme ich heute her.
An meinen Händen kann ich es nicht mehr abzählen, wie oft ich in den letzten 25 Jahren an diesem Hotel vorbeigefahren bin. Es steht an der Mole, nur wenige hundert Meter von hier legen die Fähren der Wyker Dampfschiffs-Reederei nach Föhr und Amrum ab. Jetzt kann ich die Nordfriesland, die Uthlande und die anderen Fährschiffe an meinem Fenster vorbeiziehen sehen.
Dieser Tag hat mir wertvolle Augenblicke geschenkt, die ich – seht es mir nach – ganz allein für mich behalten möchte. Die Gegend hier habe ich von Kindesbeinen an gemocht, unzählige Familienurlaube in Nordfriesland verbracht, auf Bauernhöfen auf dem Festland und in Ferienwohnungen auf den Inseln.
Als ich 1997 meiner Mom eine Woche Föhr schenkte, hatten wir keine Ahnung, dass es der letzte gemeinsame Urlaub sein würde. Einige Monate später bekam sie ihre Diagnose.
Die meisten der 48 Kilometer dieser Etappe waren angenehm zu radeln, über weite Strecken am Deich entlang, nur das erste Stück durch die einsame Hattstedter Marsch. Neben mir stakste dort plötzlich ein Storch durchs Feld (erst die Braut, dann der Storch – fehlt nur noch ne trapsende Nachtigall!), hier eine seltene Begegnung, wie ich später von einer Anwohnerin erfuhr.
Auf Lüttmoorsiel- und Nordstrandischmoordamm musste ich sieben Kilometer weit die Zähne zusammenbeißen und westwärts gegen einen schrägen Wind anstrampeln. In Lüttmoorsiel geriet ich in eine Gruppe gut gelaunter Damen im besten Alter, die einem Bus entstiegen waren und sich nun feixend ihrer Schuhe entledigten, um ins Watt zu marschieren. Ich wünschte viel Vergnügen, wandte mich nach Norden und hatte fortan den Wind fast im Rücken. Er trug mich über die Hamburger Hallig und Schlüttsiel bis nach Dagebüll, eine Strecke, auf der ich von vielen Erinnerungen begleitet wurde und – natürlich! – von Schafen. Die armen Viecher litten arg unter der Hitze. Einige Lämmer drängten sich zusammen in das bisschen Schatten, das die Muttertiere auf das Gras warfen, andere suchten Abkühlung im feuchten Schlick.
Auch ich habe mittlerweile Abkühlung gefunden – am Strand von Wyk auf Föhr. Morgen geht es weiter nach Sylt.
Ich will gar nicht ankommen.
Ich freue mich für Dich, daß Du so einen schönen Tag hattest, auch wenn sicherlich einige traurige Erinnerungen damit verknüpft waren. Heute hätte ich auch gerne am Strand gelegen, aber ohne die vielen Kilometer Strampelei vorher. ;o) Genieße die Zeit auch weiterhin!
Wer weiß, vielleicht verbringste als Rentnerin deinen Lebensabend dort? Oder schon früher und du schreibst dann für die Hinterm-Deich-News ;-))
Ich denke an Dich und bin in Deinen schönen und traurigen Erinnerungen mit Dir.
Lass Dir weiterhin den wilden Wind und die Sonne um Deine Nase wehen.
Wie toll dass Du diese Reise machst.
Deine Do