Als sich meine Vorstellung vom Zeitungmachen noch ausschließlich aus der damals regelmäßig laufenden US-Serie Lou Grant speiste, da glaubte ich fest, dass ein jedes Blatt zwangsläufig in einem wuseligen Großraumbüro entsteht, in so einer heiligen Halle des Tageszeitungsjournalismus, in dem Redakteurinnen und Redakteure von einer Top-Story zur nächsten eilen, mit gedämpfter Stimme in Telefonhörer sprechen, um dann, einen Bleistift quer zwischen den Lippen, energisch die brisantesten Enthüllungen in ihre Schreibmaschinen zu klappern.
In echt war dann alles ganz anders.
Meine ersten Jahre in diesem Beruf verbrachte ich in einem winzigen Kabuff in einer Kreisstadt im östlichen Untertaunus an einem von ganzen zwei vorhandenen Schreibtischen. Alles, was da wuselte, war der Windhund des einmal täglich reinschauenden Fotografen, und mein Redaktionskollege, der anschließend schimpfend die feuchten Ecken putzte. Klar, das Telefon klingelte alle paar Minuten, aber für das, was die Informanten am anderen Ende der Leitung mitzuteilen hatten, hat keiner von uns jemals geheimnisvoll die Stimme dämpfen müssen. Die wohl hitzigste Debatte erlebte dieser Raum, als unsere Sekretärin sich weigerte, künftig auch nur noch eine Tasse Kaffeee für uns mitzukochen, und die lautesten DiaMonologe wurde ebenfalls regelmäßig von ihr übernommen – gegenüber all den dummen, uneinsichtigen Anzeigen- oder Abo-Kunden, die es wagten, sich beschweren zu kommen.
Sonntags dagegen schwiegen Sekretärin und Telefone. Sonntags glich dieses kleine Büro einer Oase der Ruhe, in der man beim Erstellen der Seiten für die Montagsausgabe nicht weiter gestört wurde.
Ich habe es geliebt. Lou Grant war vergessen.
Ein paar Jahre später hielt auch in Deutschland der Trend zum so genannten Newsdesk Einzug. Eine Zeitung nach der anderen richtete eine solche Zentrale mit Vertretern aus Redaktion, Gestaltung und Technik ein, wo alle Fäden für die Ausgabe des nächsten Tages zusammenlaufen. Und weil viele Leute viel Platz brauchen, mussten Großraumbüros her. Wie im Film.
Ich dagegen blieb in einer überschaubaren Redaktionsstube, größer zwar als meine erste, aber immer noch familiär – bis vor kurzem übrigens in dieser (mein Platz war der mit dem Monitor, in dem sich das Blitzlicht spiegelt, und der Apfel auf der Fensterbank muss auch noch von mir sein. Wer einen genaueren Blick ins alte Rundschau-Haus werfen möchte, dem sei das ganze Bilderset von Kollege Janko empfohlen.)
Mit dem Umzug ins Colosseo wurden jetzt auch bei der FR Newsdesks eingeführt. Ich selbst habe das Glück, weder in einem der Einzelzimmer noch in einem Großraumbüro zu sitzen, sondern weiterhin in einem Büro mittlerer Größe mit gerade mal sechs Arbeitsplätzen zu residieren.
Vergiss Lou Grant! Nicht nur wegen Großraumbüros, sondern auch wegen Agatha Christie: “Ich habe Journalisten nie gemocht. Ich habe sie alle in meinen Büchern sterben lassen,” hat die gesagt.