Die Firma Thurn und Taxis ist der erste international tätige Großkonzern – und die Zentrale des Postbetrieb befindet sich lange Zeit in Frankfurt am Main. Ein Blick auf die bewegte Geschichte eines Familienunternehmens und seines Palais am Main.
Sein Name ist im ganzen Kaiserreich und darüber hinaus bekannt. Päpste und gekrönte Häupter gehören zu seinen Stammkunden – doch in Frankfurt will man Anselm Franz von Thurn und Taxis nicht haben. Der Chef der Reichspost muss sich eines Winkelzuges bedienen, um am Main ansässig werden zu können: Weil die lutherische Freie Reichsstadt einen katholischen Fürsten wie ihn innerhalb ihrer Mauern nicht gerne sieht, beauftragt Anselm anno 1724 einen Strohmann mit dem Kauf des Grundstücks Zum Weißen Hof in der Großen Eschenheimer Gasse. Die Ratsherren schäumen, als sie dahinter kommen, wer sich da eingekauft hat. Sie versuchen alles, die Ansiedelung des Fürsten doch noch zu verhindern. Fünf Jahre lang geht das Gezerre, dann endlich kann Anselm offiziell von Brüssel nach Frankfurt umziehen. Seine Firmenzentrale hat er hier schon länger.
Wer ist er eigentlich, dieser Großunternehmer und katholische Fürst, auf dessen Anwesenheit sie im lutherischen Frankfurt keinen gesteigerten Wert legen? Anselm von Thurn und Taxis ist seit 1714 Chef eines der ersten international tätigen Unternehmens – der Kaiserlichen Reichspost. Die Familie Thurn und Taxis (der zweite Namensteil kommt erst später hinzu) richtet Ende es 15. Jahrhunderts das erste länderübergreifende System zur Nachrichtenübermittlung ein – mit Staffetenreitern, Pferdewechselstationen und festen Kurierrouten. Papst und bald auch Kaiser nehmen ihre Dienste in Anspruch, die Familie wird in den Adelsstand befördert. Im 16. Jahrhundert expandiert die Firma, ihre Kuriere sind jetzt im gesamten Kaiserreich, in den Niederlanden, Spanien und Burgund tätig. Das Monopol zur Übermittlung der Post ist fest in der Hand der Thurn und Taxis, die ihre Firmenzentrale in Brüssel haben. Dort können sie jedoch nicht bleiben, als der Spanische Erbfolgekrieg beginnt. Auf der Suche nach einem neuen Standort fällt der Blick auf das an zentralen europäischen Handelswegen gelegene Frankfurt am Main. 1724 will der Reichserbgeneralpostmeister Anselm von Thurn und Taxis umsiedeln, mit Unterstützung Kaiser Karls VI. Doch Frankfurt stellt sich erstmal stur.
Einträgliche Männerfreundschaft zwischen Post-Chef und Kaiser
Das Palais Thurn und Taxis auf einem Bild von Jacob Fürchtegott Dielmann, um 1845 Nach einigen Jahren aber kann Anselm schließlich doch mit dem Bau seines Schlösschens beginnen. Das Palais Thurn und Taxis wird in den Jahren 1731 bis 1739 auf dem erworbenen Grundstück an der Eschenheimer Gasse errichtet – die Fertigstellung erlebt Anselm jedoch nicht mehr. Sein Sohn Alexander Ferdinand übernimmt die Residenz. Er führt in Frankfurt ein ausschweifendes Leben mit üppiger Haushaltung, sein Glück am Main steht und fällt aber mit seinem Freund, Karl Albrecht von Bayern, der als Kaiser Karl VII. den Thron besteigt und ebenfalls in Frankfurt residiert – in direkter Nachbarschaft des Palais Thurn und Taxis. Damit ist es schon 1745 wieder vorbei: Karl VII. stirbt, die Habsburger holen sich die Kaiserkrone zurück, Alexander Ferdinand von Thurn und Taxis verlässt Frankfurt in Richtung Regensburg. Die Inneneinrichtung des Palais nimmt er gleich mit. Die Geschichte der Postzentrale am Main endet damit aber noch nicht.
Therese von Thurn und Taxis sichert das Überleben des Familienbetriebs
Auch wenn die Frankfurter das Schlösschen eigentlich gar nicht wollten – nun, da es schon mal da ist, kann man hier auch gleich den künftigen Kaiser mit Entourage unterbringen, während er zur Krönung in der Stadt weilt. 1806 aber geht das Heilige Römische Reich unter: Franz II. legt die Kaiserkrone nieder, und auch die Kaiserliche Reichspost ist damit Geschichte. Therese von Thurn und Taxis, deren Mann Karl Alexander seit 1805 Chef des Imperiums ist, gelingt es in geschickten Verhandlungen, den Postbetrieb in mehreren Rheinbund-Ländern weiterzuführen und die Firma als Privatunternehmen zu erhalten.
Für ihr Anwesen in Frankfurt finden die Thurn und Taxis immer wieder geeignete Zwischenmieter: Karl Theodor von Dalberg, von Napoleon zum Fürstprimas und Großherzog von Frankfurt ernannt, wohnt zwischen 1805/1806 und 1813 im Palais. In den Genuss kommt er durch einen Tausch: Dalberg befördert Karl Alexander von Thurn und Taxis zum Erblandpostmeister – und darf im Gegenzug in dessen Frankfurter Schlösschen wohnen.
Abschlussfoto des Frankfurter Fürstentages am 1. September 1863 im Garten des Palais Thurn und Taxis Die Herren in der hellen Uniform sind (von links) König Maximilian II. Joseph von Bayern und Kaiser Franz Joseph I. von Österreich, rechts daneben König Georg V. von Hannover, zweiter und dritter von rechts Großherzog Ludwig III. von Hessen und bei Rhein und Großherzog Peter II. von Oldenburg, fünfter und siebenter von rechts Großherzog Friedrich I. von Baden und Wilhelm I. König von Württemberg, erster von links Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha, siebenter und achter von links Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach und König Johann von Sachsen. Als auch Napoleon Geschichte ist, wird das Gebäude zum Bundespalais: Die Thurn und Taxis vermieten es an den Bundestag der 41 Länder des Deutschen Bundes, der hier zwischen 1816 und 1866 tagt – mit einer kurzen Unterbrechung im Revolutionsjahr 1848, als die provisorische Reichsregierung einzieht, während drüben in der Paulskirche die Nationalversammlung debattiert. 1863 richtet sich erneut die Aufmerksamkeit ganz Deutschlands auf das Palais an der Eschenheimer Gasse. Der österreichische Kaiser Franz Joseph I. lädt die Fürsten aller deutschen Länder hierher ein – der Fürstentag soll Reformen für die Bundesverfassung auf den Weg bringen. Preußens Wilhelm I. boykottiert das Treffen, bei dem – außer einem Familienfoto für die Nachwelt – nichts weiter herauskommt.
Die Revolution, das erste deutsche Parlament, die Reform des Deutschen Bundes – all das scheitert. Nur die Firma Thurn und Taxis ist (noch) nicht am Ende. Das kommt für sie erst mit den Preußen, die sich 1866 Frankfurt einverleiben und ein Jahr später auch die Posteinrichtungen, die die Thurn und Taxis ihnen gegen eine Abfindung überlassen. Die Post wird endgültig zum Staatsbetrieb.
Und das Palais in Frankfurt? Fürst Albert I. von Thurn und Taxis verkauft es 1895 an die Reichspost, die den Postbetrieb in den Räumen weiterführt – sehr zum Ärger einiger Frankfurter, die sich darüber mokieren, dass der Betrieb dem repräsentativen Gebäude an die Substanz gehe. 1905 übernimmt die Stadt Frankfurt das Palais, ein paar Jahre später zieht das Völkerkundemuseum ein. Im Zweiten Weltkrieg wird es bei Bombenangriffen stark getroffen – und 1951 für den Neubau des Fernmeldehochhauses abgerissen. Später hat man nur die Portalbauten neu errichtet. Zwischen 2004 und 2009 werden auch sie abgebaut, eingelagert und rekonstruiert.